Zurück auf die gefährliche Schaukel
In normalen Zeiten – also früher – hätte man sich wohl auch nicht über solche Wahlausgänge wie die vom 1. September in Thüringen und Sachsen und wenig später auch in Brandenburg gefreut, aber sich wahrscheinlich achselzuckend gesagt, dass es sich ja „nur“ um Regional-Ereignisse gehandelt habe und der politisch-gesellschaftliche Schaden überschaubar sei. Aber die Zeiten sind längst nicht mehr normal. Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass sich einem die Gedanken an die Gegenwart und Zukunft beruhigt schlafen ließen. Dabei geht es gar nicht einmal allein um die verständliche Sorge, dass die Kriege um Israel und in der Ukraine unter Umständen unkontrollierbare Dimensionen annehmen könnten. Es geht um die ganz offensichtliche Rückkehr von eigentlich überzeugt demokratisch gesinnten Gesellschaften in Europa zu längst überwunden geglaubten nationalistischen, fremdenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen bis hin zu faschistischen Ideen.
Gesellschaft im Dauer-Stress
Die lieben Mitmenschen werden immer wehleidiger. Der Satz ist oft zu hören. Er meint eine Haltung, die Anstrengung glaubt nicht aushalten zu müssen, die für jeden Verdruss „die Verhältnisse“ in Haftung nimmt, die jedes Risiko beim Staat ablädt und es für normal hält, dass für eigene Fehler und ihre Folgen die Allgemeinheit geradesteht. Halluziniert ist die Beobachtung nicht. Fragt sich bloß, welche Ursache die deutsche Wehleidigkeit hat. Soziologen sprechen von einer überforderten Gesellschaft.
Über Sahras Stöckchen
Jetzt ringt die „Linke“ auf ihrem 9. Bundesparteitag in Halle um ihr politisches Überleben. Der „Elefant“ im Raum ist dabei die Abtrünnige Sahra Wagenknecht, die mit ihrem “Bündnis“ nicht nur den Ruin ihrer früheren Truppe befördert, sondern auch die deutsche Parteienlandschaft kräftig aufmischt. Bei den drei Landtagswahlen unlängst im Osten hat die einstige kommunistische Ikone, die von ihrer Vergangenheit nichts mehr hören will, mit ihrer Truppe zweistellige Resultate erzielt und wird überall fürs Regieren gebraucht. Das lässt sie sich teuer bezahlen.
Beginnen die Brandmauern zu bröckeln?
Es wäre nicht verwunderlich, wenn Olaf Scholz des Nachts von Joe Biden heimgesucht würde. Im Traum natürlich. Oder genauer – in Alpträumen. Und immer derselbe Vorgang mit immer demselben Ende: Abserviert von der eigenen Gefolgschaft. Aber auch Friedrich Merz dürfte im Moment schlaflose Nächte haben. Denn vor der Erfüllung seines Traums vom Einzug ins Berliner Kanzleramt eventuell im kommenden Herbst muss er zunächst eine Aufgabe erfüllen, an der er durchaus auch scheitern kann. Kann er, nach den desaströsen Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen, die CDU in eine Lage bringen, in der sie sich zum Regieren fähig erweist. Für eine Mehrheit in Dresden und Erfurt stehen im Grunde nur "Partner" zur Verfügung, gegen die von der CDU selbst "Brandmauern" hochgezogen oder "Rote Linien" gezogen wurden - de aus der einstigen DDR-Staatspartei SED hervorgegangenen Linken und die seltsame auf höchst erfolgreiche Sammlungsbewegung von Sahra Wagenknecht.
Ex-Kommunistin – „Königsmacherin“ für CDU?
Gregor Gysi beklagte einst ihr Faible für „das Alte in der DDR“, weil sie sich in der von ihm geführten postkommunistischen PDS gegen Reformen wandte. Jetzt strebt die 55 Jahre alte, aus der Linkspartei ausgetretene Sahra Wagenknecht, die wegen ihres Engagements in der linksextremistisch eingestuften „Kommunistischen Plattform“ neun Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, nach ganz Neuem. Im Grunde ist es absurd. Aber sie könnte vielleicht tatsächlich entscheidend dafür sein, ob die CDU (und nicht die rechtsextremistische AfD) nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen die Regierung stellen wird.
Wohlstandsverwöhnt und angstgepeinigt
Es ist etwas gewaltig in Schieflage geraten in diesem, unserem Deutschland. Die etablierten, ohne Zweifel demokratischen Parteien haben völlig versagt, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung vor unkontrollierter Massenmigration ernst- und aufzunehmen und wenigstens anzusprechen. Damit überließen sie (unverzeihlich) das Feld der Rechtsaußenpartei AfD und der Sammlung um die Ex-Linke Sahra Wagenknecht. Gleichzeitig zeigen die ständig zunehmenden Drohungen des Kreml-Despoten Putin mit dem möglichen Einsatz ganz schrecklicher Waffen Wirkung zumindest in Teilen der Bevölkerung. Trotzdem erweckt das Land in mannigfaltiger Weise ein merkwürdiges Bild von Normalität. Sogar die erneute, für 2025 angekündigte, Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland wird ohne Protest und Demonstrationen, allenfalls schulterzuckend, hingenommen...
Droht uns das „Zeitenende“?
Verkommt die, angesichts des vom Kreml entfesselten neuen Kalten Kriege,s angekündigte deutsche „Zeitenwende“, die uns mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro abwehrbereit machen soll, zu einer politischen Floskel? Wo gibt es den von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gewünschten Mentalitätswandel und eine Rückenstärkung für eine „kriegstüchtige Bundeswehr“? Wird aus der Zeitenwende am Ende ein Zeitenende?
Reifeprüfung, Teil eins
Balance halten ist das, was Konservative auszeichnet. Vor hundert Jahren hat Thomas Mann diese Fähigkeit, die im Intuitiven wurzelt und das Vernünftige nicht aus dem Blick verliert, klassisch formuliert: „Ich bin ein Mensch des Gleichgewichts. Wenn das Boot nach links zu kentern droht, lehne ich mich automatisch nach rechts. Und umgekehrt“. Auf dem Weg nach Maß und Mitte ist die Merz-CDU auf ihrem jüngsten Parteitag ein gutes Stück vorangekommen. Das neue Grundsatzprogramm setzt die Freiheit wieder an die Spitze der Grundwerte und re-orientiert die Politik auf den Menschen, der für sich selbst einsteht. Oder besser: einzustehen hat. Damit hat die Partei, die 2021 am Tiefpunkt war, Teil eins der Reifeprüfung bestanden.
Neues Jahr, neue Parteien
Weht ein Hauch von Weimar durch die Berliner Republik? Historiker führen das Scheitern der Weimarer Republik häufig auch auf die Zersplitterung der Parteien zurück. Selbst wenn solche geschichtlichen Vergleiche immer fragwürdig sind, so muss uns die sich im ersten Monat des neuen Jahres abzeichnende veritable Veränderung der Parteienlandschaft zu denken geben.
Was uns 2024 blühen kann
Wie man sich ruinieren kann, hat uns der ungarische Börsen-Guru André Kostolany einst verraten. Mit Glücksspiel gehe es am schnellsten, mit Frauen am vergnüglichsten, mit Wirtschaftsprognosen am sichersten. Zwar steht im Neuen Testament die Mahnung, prophetisches Reden nicht zu verachten, im praktischen Leben weiß aber eigentlich nur der Gärtner, was ihm und uns wirklich blüht. Aber trotzdem deutet wenig bis gar nichts darauf hin, dass die Zahl der Probleme kleiner werden wird. Oder glaubt irgend jemand wirklich, dass sich die Menschen ändern?