Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

 Jetzt ringt die „Linke“ auf ihrem 9. Bundesparteitag in Halle um ihr politisches Überleben. Der „Elefant“ im Raum ist dabei die Abtrünnige Sahra Wagenknecht, die mit ihrem “Bündnis“ nicht nur den Ruin ihrer früheren Truppe befördert, sondern auch die deutsche Parteienlandschaft kräftig aufmischt. Bei den drei Landtagswahlen unlängst im Osten hat die einstige kommunistische Ikone, die von ihrer Vergangenheit nichts mehr hören will, mit ihrer Truppe zweistellige Resultate erzielt und wird überall fürs Regieren gebraucht.

Die künftige Mitverantwortung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist für Wagenknecht das Labor für eine erfolgreiche Bundestagswahl. Den als Altparteien gescholtenen möglichen Koalitionspartnern werden  von ihr Stöckchen hingehalten, die sie mit dem Risiko des Verlustes der Selbstachtung überspringen müssen. Dabei geht es der Putin-Versteherin vor allem um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, wo Landespolitik herzlich wenig ausrichten kann.

Atemberaubend rasch meisterten die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Kretschmer (CDU) und Woidke (SPD) sowie der designierte Regierungschef in Erfurt, Voigt (CDU), das erste Stöckchen. In einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag sprachen sie sich für schnelle Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine aus. Deutschland und die EU hätten bisher noch zu unentschlossen an einer starken internationalen Allianz gearbeitet, um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen.

Das Trio äußerte Kritik an der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen, die „besser erklärt und breiter diskutiert“ werden müssten. Von einem Verzicht ist aber nicht die Rede, auch die Berechtigung von Waffenlieferungen wird nicht in Frage gestellt. Wagenknecht lobte den „klugen Text“, FDP und Grüne sehen darin einen Kotau.

Die CDU betrachtet diese Operation mit Missfallen, berührt die Russlandpolitilk von Wagenknechts BSW doch ihre DNA als eine fest im wesentlichen Bündnis verankerte, transatlantische Partei. An der Basis rumort es. Ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW müsse her, die Abgrenzung müsse markanter werden, besser Opposition als zu viel Opportunismus schallt es von den Funktionärsrängen.

Die angestrebten Bündnisse sind ein Hochrisikospiel für die CDU/CSU. Das BSW ist programmatisch noch eine Blackbox, und der Weg zur Bundestagswahl im Herbst 2025 wird mit zahlreichen weiteren „Stöckchen“ bestückt sein.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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