Was uns 2024 blühen kann
Wie man sich ruinieren kann, hat uns der ungarische Börsen-Guru André Kostolany einst verraten. Mit Glücksspiel gehe es am schnellsten, mit Frauen am vergnüglichsten, mit Wirtschaftsprognosen am sichersten. Zwar steht im Neuen Testament die Mahnung, prophetisches Reden nicht zu verachten, im praktischen Leben weiß aber eigentlich nur der Gärtner, was ihm und uns wirklich blüht.
Werfen wir zu Beginn des neuen Jahres einen Blick auf die Politik von morgen, die uns die alten Probleme zurücklässt. Kriege, anhaltende Migration, zunehmende Radikalisierung, mangelndes Vertrauen in die Regierenden und nachlassenden Widerstandswillen der politischen Mitte. Vor diesem Hintergrund versammeln sich die Freien Demokraten am Wochenende zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen, einer seit mehr als 140 Jahren bestehenden Tradition, um sich auf die Werte liberaler Geisteshaltung zu besinnen und Selbstbewusstsein zu demonstrieren.
Für Parteichef Christian Lindner dürfte die Veranstaltung in Baden-Württemberg zu einem schweren Gang werden, kämpft die FDP – Umfragen zufolge – doch um ihr politisches Überleben. Immer mehr Parteifreunde sind der Meinung, es wäre besser, „nicht zu regieren als falsch zu regieren“ und zitieren dabei Lindners eigene Erkenntnis bei der Verhinderung einer „Jamaika-Koalition“.
Mit einem Nachschlag zur Pannen-Bundestagswahl in Berlin zum Auftakt, sodann der Europawahl am 9. Juni, drei Landtagswahlen im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie Kommunalwahlen in neuen Bundesländern wird 2024 zu einem interessanten Aufgalopp für die Entscheidung zum neuen Bundestag im darauffolgenden Jahr. Gleichzeitig klärt sich die personalpolitische Ausgangslage für die bundespolitische Entscheidung. Die Unionsparteien werden ihren Kanzlerkandidaten nominieren.
Bei der Europawahl wird sich zeigen, ob Sahra Wagenknecht nach der Spaltung der Linkspartei mit ihrem neuen Bündnis zu einer politisch-parlamentarischen Kraft werden kann. Der Erfolg des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt bei der niederländischen Wahl zeigt, wie rasch politischer Aufstieg in einer sich immer mehr fragmentierenden Gesellschaft gelingen kann. Erst im August 2023 hatte er eine frische Partei gegründet, die für einen neuen Gesellschaftsvertrag warb.
Alle Blicke werden sich aber im September auf die neuen Bundesländer richten, wo die AfD ihren Erfolgszug fortsetzen will.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.