HIV-PrEP: Von großen Lücken und weißen Flecken
Prä-Expositionsprophylaxe – ein sperriges Wort mit durchschlagender Wirkung: Die PrEP spielt bei den Plänen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), HIV und Aids bis zum Jahr 2030 entscheidend einzudämmen, eine wichtige Rolle. Sie besteht aus einem antiretroviralen Arzneimittel, das HIV-negative Menschen vor einer Infektion schützen kann. Doch der Zugang zur PrEP in Europa ist unnötig erschwert. Auch Deutschlands PrEP-Landkarte hat viele weiße Flecken.
„Neben dem Kondom und Schutz durch Therapie ist die PrEP eine weitere sichere Schutzmethode vor einer HIV-Infektion – wenn sie richtig angewendet wird“, heißt es bei der Deutschen Aidshilfe (DAH). Und in der Tat: Untersuchungen, wie die PROUD-Studie aus England, zeigen eine Wirksamkeit von über 80 Prozent. Empfohlen wird sie in Deutschland „für Menschen ab 16 Jahren mit erhöhtem (´substanziellem`) HIV-Risiko.“ Dazu zählen laut Aidshilfe „Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), und trans* Personen, die in den letzten drei bis sechs Monaten Analverkehr ohne Kondom hatten“, aber auch Partnern von Menschen mit HIV, die nicht in Therapie sind bzw. bei denen sie nicht richtig wirkt. Zu dieser Gruppe gehören auch Drogen injizierende Personen, die keine sterilen Spritzbestecke verwenden.
Eine besondere Bedeutung der PrEP wird ihr in Ländern beigemessen, in denen HIV stark verbreitet ist. Für die WHO hat sie im Rahmen ihres globalen HIV-Programms eine hohe Priorität. Die Organisation empfiehlt die orale Therapie mit Truvada, einem antiretroviralen Arzneimittel, das als Generikum zu haben ist. Auch eine Depotspritze ist als PrEP verfügbar. Rund 1,6 Millionen Menschen weltweit erhielten im Jahr 2021 mindestens einmal eine PrEP, davon rund 1 Million in Ost- und Südafrika. Soll das Ziel, HIV und Aids bis 2030 zu beenden, erreicht werden, müssen diese Zahlen deutlich steigen.
PrEP in Deutschland: Versorgung mit Lücken
In Deutschland haben gesetzlich Versicherte seit 2019 den Anspruch, dass ihnen die PrEP erstattet wird. Seitdem wird die Implementierung in Deutschland vom Robert Koch-Institut (RKI) evaluiert. Eine Befragung von Zentren, die die PrEP anbieten, ergab, dass noch mehr getan werden muss, damit die HIV-Infektionen hierzulande zurückgehen. 69 Prozent von ihnen gaben an, dass sie strukturelle Zugangsbarrieren sehen: „Dazu gehören die Entfernung zur Praxis, zu wenig Zentren und zu wenig PrEP-Verordnende sowie keine Verordnung über andere Stellen als HIV-Schwerpunktzentren“, heißt es im Epidemiologischen Bulletin des RKI.
Es gibt zahlreiche weiße Flecken auf der deutschen PrEP-Landkarte: Während in Berlin oder Nordrhein-Westfalen der Zugang zu den Schwerpunktpraxen noch gegeben ist, wird es im ländlichen Raum dünn. „Wir brauchen eine flächendeckende, unkomplizierte Versorgung mit dieser hoch wirksamen Schutzmethode. Das bedeutet vor allem: mehr Ärztinnen und Ärzte, die sie verschreiben“, erklärte DAH-Vorstand Winfried Holz Ende vergangenen Jahres. Die Organisation fordert, dass künftig auch in hausärztlichen Praxen die PrEP verschrieben werden kann. Außerdem sollte die Weiterbildung der Ärzte vereinfacht und mehr auf Telemedizin gesetzt werden. Auch mangelndes Wissen in der Bevölkerung ist ein Thema, so die DAH: „PrEP ist nicht nur für schwule Männer geeignet.“
PrEP: Effektive Schutzwirkung ist belegt
Die PrEP zum Erfolg zu führen – das würde sich lohnen. Noch einmal das RKI: „Die effektive Schutzwirkung der HIV-PrEP wurde durch die Ergebnisse dieser Befragung erneut unterstrichen.“ Unter der PrEP wird die HIV-Infektion zu einem sehr seltenen Ereignis. Ist nicht jede HIV-Infektion eine zu viel?
Ein Blick nach Europa zeichnet ein ähnliches Bild: In einem Evidence Brief schreibt das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), dass in der Europa-Region der WHO 17 von 53 Länder die PrEP noch nicht in ihre Gesundheitssysteme aufgenommen haben. Darunter sind auch 5 EU-Länder. Die Versorgung mit der PrEP steigt seit 2016 kontinuierlich, bleibt aber hinter den Möglichkeiten zurück – und geht unter anderem an Menschen in Gefängnissen, an solchen, die Drogen injizieren, oder an den so genannten undokumentierten Migranten weitgehend vorbei. Unter anderem gibt es Sorgen, dass durch die PrEP die Nutzung von Kondomen zurückgeht und sich dadurch andere Geschlechtskrankheiten verstärkt verbreiten. In Deutschland gibt es deshalb eine medizinische Begleitung mit regelmäßigen Tests auf HIV. Empfohlen werden auch regelmäßige Tests auf andere Geschlechtskrankheiten.
Die Berichte zeigen: Das Potenzial der PrEP ist noch lange nicht ausgeschöpft. Dabei ist sie ein wichtiger Hebel, um die Infektionszahlen zu senken. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass HIV-Pandemie Geschichte wird: Bis 2030 sind es nur noch 7 Jahre.