Politik: Zeit für Gegenpressing
Der Aufstieg der Rechtspopulisten gefährdet die liberale Demokratie weltweit. Doch diese lässt sich nur im Vorwärtsgang verteidigen.
CDU im Merkel-Spagat
Die unlängst verstorbene „Unions-Legende“ Wolfgang Schäuble wollte Angela Merkel nicht in die Galerie der großen deutschen Kanzler Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl aufnehmen. Eine „abschließende Debatte“ werde den Platz der Ex-Regierungschefin in der deutschen Geschichte noch zu klären haben. Mit dem Abschied aus dem hohen Amt beginnt oft eine Verklärungsphase. Merkel, die am kommenden Mittwoch (17.Juli) ihren 70. Geburtstag feiert, erfreute sich im Gegensatz zum jetzigen Kanzler zwar großer Beliebtheit, wird aber mittlerweile in der Rückschau zunehmend kritisch gesehen.
Liberal aus Feigheit
Wir sind ein freies Land. Mit Freiheit des Denkens, Reisens, der Meinung, Sprache, Religion, Presse. Mit Freiheit zum Demonstrieren, Kritisieren, Protestieren, Streiken, Opponieren, Solidarisieren, Auswandern und wieder Heimkommen. Kurz gesagt – wir sind ein tolles Land mit einer bewundernswerten Gesellschaft voller Hilfsbereitschaft und Empathie für alle Völker dieser Erde und gesegnet mit einer weltweit einmaligen Willkommenskultur. Wir lassen (ein eherner Grundsatz) niemanden im Stich und fragen – falls einer ausnahmsweise einmal nicht ganz unserem Idealbild vom Migranten entsprechen sollte – zunächst einmal bei uns selber, ob der Grund dafür nicht vielleicht in Wirklichkeit hier liegen könnte. Ob wir am Ende nicht genug für ihn und sein Fortkommen getan haben. Natürlich ist diese Idylle Quatsch, eine Karikatur der Wirklichkeit. Oder – schlimmer noch – vielleicht sogar eine von paradiesisch-politischen Sehnsüchten geleitete, pastellfarbene Selbstbespiegelung. Denn die Welt und der Alltag sind nun einmal anders.
Politik: Viel vor, wenig dahinter
Die Reform der EU-Asylpolitik wird die Versprechen nicht halten können. Lange Verfahren und eine freiwillige Verteilung werden weiterhin fortbestehen.
Was uns 2024 blühen kann
Wie man sich ruinieren kann, hat uns der ungarische Börsen-Guru André Kostolany einst verraten. Mit Glücksspiel gehe es am schnellsten, mit Frauen am vergnüglichsten, mit Wirtschaftsprognosen am sichersten. Zwar steht im Neuen Testament die Mahnung, prophetisches Reden nicht zu verachten, im praktischen Leben weiß aber eigentlich nur der Gärtner, was ihm und uns wirklich blüht. Aber trotzdem deutet wenig bis gar nichts darauf hin, dass die Zahl der Probleme kleiner werden wird. Oder glaubt irgend jemand wirklich, dass sich die Menschen ändern?
Wenn aus Vernunft Unsinn wird
Die verbreitete Ansicht, Goethe sei, anders als etwa Schiller, ein unpolitischer Schriftsteller gewesen, ist verkehrt. Goethes Werk ist reich an politischen Grundeinsichten, über die nachzudenken sich selbst dann lohnt, wenn der Dichter sie dem Teufel in den Mund legt. Es ist Mephistopheles, der in Faust I dem Schüler Bedenkenswertes vorträgt: "„Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew´ge Krankheit fort; Sie schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage“. Goethe formuliert hier eine Anforderung, die der Politik als unerlässliches Minimum gelten sollte. Nämlich immer wieder das, was man einmal für richtig angesehen und in Gesetze gegossen hat, auf den Prüfstand zu stellen. Leider wird die Regel selten beachtet - sei es aus Trotz, Trägheit oder ideologischer Verbohrtheit. Ein Lehrbeispiel ist die Asylpolitik.
Deutschland, beängstigend Vaterland
Bayern und Hessen haben neue Landtage gewählt, und schon bewegt sich in Berlin die Migrationspolitik. Die Ampel-Partner haben endlich begriffen, welche Menge politischen Sprengstoffs das Thema Ungeregelte Zuwanderung enthält. Jetzt werden sogar Maßnahmen diskutiert, die noch vor Kurzem absolut tabu waren. Höchst unangenehm - Berlin bewegt sich nicht aus eigener Einsicht, sondern wegen der besorgniserregend guten Wahlergebnisse der rechtsextremen AfD jetzt auch im Westen.
Rechtsradikal
An Warnzeichen fehlt es wahrhaftig nicht. Der sprichwörtliche rechte Rand hört auf, ein Rand zu sein. Unübersehbar wuchert er Richtung gesellschaftliches und politisches Zentrum. Diese Mitte schrumpft wie das Eis im Klimawandel. Vor zwei Jahren brachten es die drei Ampelparteien noch auf rund 52 Prozent. Heute kommen sie gerade mal auf 40, aber nur bei gutem Wetter. Es wächst allein die AfD. Bundesweit liegt die Rechtsaußenpartei inzwischen hinter der CDU/CSU auf Platz zwei. Mit Sorge blicken die Auguren auf die anstehenden Prüfungen. In Kürze finden Landtagswahlen in Hessen und Bayern statt. Man darf gespannt den Ergebnissen entgegenblicken.
Wie der Teufel das Weihwasser
Die Umfragen belegen es seit einiger Zeit schon: Thema Nummer eins auf der Ängsteliste der Deutschen ist die ungebremste und faktisch unkontrollierte Zuwanderung. Es ist wohl vor allem das Thema, das auch die Zustimmungswerte der rechtspopulistischen AfD in die Höhe treibt. Genauer - nicht das Problem allein ist die Ursache. Sondern das Zögern, Zaudern und die Ängstlichkeit der demokratischen Kräfte, sich offen mit den in der Gesellschaft grassierenden Sorgen zu befassten. Aus Angst, deswegen in eine "rechte Ecke" gestellt zu werden. Dabei hatte bereits der Reformator Martin Luther gepredigt, man solle dem Volk aufs Maul schauen, ihm aber nicht nach dem Munde reden. Ein Ratschlag, der jedem demokratischen Politiker ins Stammbuch geschrieben gehörte.
Weirichs Klare Kante
Bei der Bundeswehr ist die Selbstverstümmelung strafbewehrt. Schießt sich ein Soldat beim Waffenreinigen ins Knie, kann er vielleicht mit der Fürsorge und dem Mitleid seiner Liebsten rechnen, ein Strafverfahren der Armee ist dagegen nicht auszuschließen. Gäbe es eine solche Praxis in der Politik, wären vor allem Christdemokraten bedroht. Es ist schon mehr als unverständlich, dass sich die Union wieder ihrem Lieblingsspiel (dem Personaltheater) hingibt, statt die Berliner Drei-Parteien-"Ampel" mit einer klaren Sachpolitik in Bedrängnis zu bringen und damit die AfD ins Abseits zu stellen. Aber dafür brauchte sie eine erkennbare strukturierte Führung und nicht ein Hin und Her á la Friedrich Merz.