Von Günter Müchler

Günter Müchler

Die AfD hat schon viele Krisen ausgesessen. Es könnte sein, dass sie auch diese schadlos übersteht. Sicher ist das allerdings nicht. Denn die Enthüllungen über etwaige Zuflüsse russischen Geldes und möglichen Geheimnisverrat im Dienste Pekings sind nicht nur peinlich. Sie treffen den Markenkern der Partei. „Alles für Deutschland“ – der SA-Gassenhauer, der dem thüringischen Spitzenkandidaten Björn Höcke angeblich nicht erinnerlich ist, beinhaltet ja genau das, wofür die AfD gelten und weswegen sie gewählt werden möchte. Sie will glänzen als unverbrüchlich patriotische Partei, die nur an das Wohl Deutschlands denkt, die das gesunde Volksempfinden spiegelt und die sich radikal unterscheidet von den korrupten „Altparteien“. Was aber, wenn sich herausstellt, dass es einigen Kameraden gar nicht um Deutschland geht, vielmehr um ihren Geldbeutel? Und dass die Partei der selbst ernannten Biederleute in Wahrheit ein Sammelbecken von Schmuddelkindern ist?

Höcke dürfte sich herausbeißen aus seinem Prozess und mit einer Allerweltstrafe davonkommen. Die Frage, ob man als ehemaliger Geschichtslehrer wissen muss, dass die Urheberrechte an „Alles für Deutschland“ bei der Schlägertruppe der NSDAP liegen, werden nicht alle Geschichtslehrer mit Ja beantworten.  Ohnehin liegt Höckes eigentliche Expertise in der des Brandstifters. Dafür wird er verehrt und bewundert von seiner Gefolgschaft. Sie wird ihm wegen eines ziemlich lauen Rechtsvorwurfs kaum die Treue kündigen.

Auf diesen Immunschutz vertraut auch Maximilian Krah. Der Europa-Abgeordnete war bei der Listenaufstellung für die anstehende Europawahl vom Höcke-Flügel als Nummer eins durchgesetzt worden. Dumm, dass sein Mitarbeiter Jian G. nun wegen Spionageverdachts in Untersuchungshaft sitzt. Krah hat ihn kurzerhand entlassen. Ob ihm das hilft, muss sich noch herausstellen. Die AfD-Spitze, in Gestalt von Alice Weidel und Timo Chrupalla, sprach erst einmal von „schwerwiegenden Spionagevorwürfen“ und einer möglichen „Rufschädigung“. Momentan, so scheint es, steht Krah im Regen.

Das könnte auch dem Abgeordneten Petr Bystrom passieren, sollte sich der Vorwurf erhärten, er habe aus russischen Quellen 25 000 Euro erhalten, um Kreml-Propaganda zu verbreiten. Bystrom hat die Vorwürfe bisher bestritten, und anders als im Fall Krah hat die Parteiführung noch nicht erkennen lassen, wie sie mit dieser Causa umgehen will. Man darf gespannt sein. Krah soll beim Wahlauftakt der AfD nicht in Erscheinung treten. Bystrom ist die Nummer zwei auf der Europaliste. Ein Wahlkampf mit beiden Spitzenkandidaten in „politischer Sicherheitsverwahrung“ wäre selbst für AfD-Verhältnisse ungewöhnlich.

Mit Schmuddelkindern in ihren Reihen hatte und hat die AfD immer wieder zu tun. Kaum ein Landesverband ist davon ausgenommen. Aktuell geht es – abseits der Hauptarena – um den bayerischen Landtagsabgeordneten Daniel Halemba, gegen den wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt wird. Im Raum stehen auch Vorwürfe der Geldwäsche und der Sachbeschädigung. In der Regel verleiht die Führung der Partei in solchen Fällen Schutz und Schirm. Nibelungentreue besitzt bei den Rechtsauslegern einen hohen Stellenwert. Lieber alle Fünfe gerade sein lassen, als ungermanisch handeln und Getreuen untreu werden. Die Linie lässt sich allerdings nicht immer durchhalten. Im Fall Halemba hat der AfD -Bundesvorstand ein Ausschlussverfahren angekündigt.

Sollte Krah, der Europa-Spitzenkandidat, tatsächlich mit einem Spion zusammengearbeitet und sein Listennachbar wirklich Schmiergeld angenommen haben, kommt es auf die Reaktion der Anhänger an. Bisher reagierten die Anhänger bei Pleiten, Pech und Pannen zuverlässig „trumpistisch“. Das heißt, sie rückten nicht ab von der AfD, sie rückten noch stärker zusammen. Vorwürfe wurden klein geredet und als Teil einer Hexenjagd dargestellt. Das Verschanzen in der Wagenburg und der Verzicht, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, ist nicht nur im Immanuel-Kant-Jahr kaum zu verstehen.

Vermutlich verhält es sich beim Anhang der AfD so: Entweder gehört man zum harten Kern. Dann gilt „right or wrong, my party“. Oder man ist Stimmungswähler. Dann sieht man in der AfD ein Vehikel, seinen Frust an „denen da oben“ auszudrücken. Und dieses Vehikel will man sich nicht nehmen lassen. Lieber macht man sich blind und verbucht Schmuddeleien aus dem Schoß der AfD in der dicken Kladde der Verschwörungstheorien. Mal sind es die Medien, die das Rechte in ein unrechtes Licht rücken, mal parteiliche Justizbehörden. Schuld ist immer das „System“.

Über diese mentale Ausstattung des AfD-Anhangs sollten Medienmacher und Parteistrategen nicht achselzuckend hinweggehen. Viel zu häufig belässt man es dabei, die Wähler der Rechtsaußenpartei zu beschimpfen, statt selbstkritisch nach dem eigenen Anteil am Aufwuchs der AfD zu fragen. Die Menschen haben ein Gespür für Fairness. Sie reagieren wütend, wenn sie das Gefühl haben, es werde mit zweierlei Maß gemessen. Offen unfaires Verhalten gegenüber AfD-Vertretern bei Talkshows und Interviews hat der rechtsextremen Partei noch immer genützt und den Stoff für immer neue Verschwörungstheorien geliefert.  Es gibt nur ein Mittel, die AfD zu entzaubern. Das ist die harte Auseinandersetzung in der Sache. Es müsste doch möglich sein, zumindest des Denkens fähigen AfD-Wählern klar zu machen, dass das Anschleimen an Putin und die Kommunisten in Peking das Gegenteil von Patriotismus ist, nämlich Verrat an den Interessen Deutschlands. Die Probleme, die die AfD mit ihrer Europa-Liste hat, sind ein guter Lernstoff.

   

Dr. Günther Müchler ist Journalist, Politik- und Zeitungswissenschaftler, war viele Jahre Korrespondent in Bonn und zum Schluss Programmdirektor beim Deutschlandfunk.    

 

    

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