Politik: Hoffnungsträgerin
Kamala Harris bietet den Demokraten die beste Chance, Donald Trump zu schlagen. Sie müssen ihre Kandidatin um jeden Preis verteidigen.
Donald Trump hat offen angekündigt, dass er im Falle eines Wahlsiegs im November nicht zum Diktator werde – „abgesehen vom ersten Tag“. Kevin Roberts, Präsident der rechtsgerichteten Heritage Foundation, auf die das potenziell landesverändernde Projekt 2025 zurückgeht, sagte: „Wir befinden uns im Zuge der zweiten amerikanischen Revolution, die unblutig bleiben wird, solange die Linke es zulässt.“ Ins gleiche Horn stieß am Montag auch der Senator des Bundesstaates Ohio George Lang auf einer Kundgebung für den republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance: „Ich fürchte, wenn wir diese Wahl verlieren, wird es einen Bürgerkrieg brauchen, um das Land zu retten, und es wird gerettet werden.“
Dagegen muss Vizepräsidentin Kamala Harris nun ankämpfen. Sie ist nicht nur die neue Hoffnungsträgerin der Demokratischen Partei, sondern vielleicht auch für die Demokratie insgesamt. Nur sie konnte so spät im Wahlkampf Präsident Joe Biden ersetzen.
Nach Bidens beunruhigendem Debattenauftritt im Juni war ich, wie viele andere auch, besorgt, dass die Debatte über einen Wechsel an der Spitze der Kandidatenliste ein Vorwand für die Insider der Demokraten sein würde, um die Tür für andere Kandidaten zu öffnen. Es war zu befürchten, dass sie die eigensinnige Mathematik der demokratischen Koalition nicht verstehen würden. Glücklicherweise scheinen die Demokraten jedoch weitere innerparteiliche Scharmützel vermieden zu haben. Erschöpft von den wochenlangen Querelen um Bidens Rückzug haben sich die Demokraten schnell um Harris geschart, die genügend Unterstützung von den Delegierten sammeln konnte, um voraussichtlich Präsidentschaftskandidatin zu werden.
Die Demokraten scheinen erkannt zu haben, dass schwarze Wähler, die traditionell die treuste Wählergruppe in ihrer Partei sind, entscheidend für ihre Siegchancen sein werden. Und das, obwohl die Republikaner in der Vergangenheit teilweise wirksame Anstrengungen unternommen haben, um diese Stimmen zu gewinnen. Jüngste landesweite Umfragen deuten darauf hin, dass Trump in dem Rennen insgesamt immer noch einen leichten Vorsprung hat. Doch mit Harris – der ersten schwarzen, asiatisch-amerikanischen und weiblichen Vizepräsidentin – haben die Demokraten die beste Chance, den republikanischen Bemühungen etwas entgegenzusetzen. Sie zu übergehen, wäre politisch katastrophal gewesen.
Die nächste Bewährungsprobe für die Demokratische Partei besteht darin, Harris vor den üblen Attacken zu schützen, die auf sie zukommen werden. In den letzten Tagen haben wir bereits Angriffe auf Harris erlebt, die weit über das Politische hinaus und ins Persönliche gingen: In den sozialen Medien kursieren bereits Verleumdungen über Harris frühere Beziehungen. Tim Burchett, ein republikanischer Kongressabgeordneter aus Tennessee, nannte sie eine „DEI-Vizepräsidentin“, eine abfällige Anspielung auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity, Inclusion), die die unmissverständliche Andeutung enthält, dass eine „Woman of Color“ unmöglich für das zweithöchste Amt im Land qualifiziert sein kann.
Die nächste Bewährungsprobe für die Demokratische Partei besteht darin, Harris vor den üblen Attacken zu schützen, die auf sie zukommen werden.
Diese Angriffe zeigen, dass einige im Make-America-Great-Again-Kosmos sich nicht damit zufriedengeben, Harris nur im November zu schlagen; sie werden versuchen, sie zu zerstören. Harris wird sich in diesem Wahlkampf nicht nur mit dem Sexismus auseinandersetzen müssen, der gegen Hillary Clinton gerichtet war, sondern auch mit dem Rassismus, mit dem sich Barack Obama konfrontiert sah. Der demokratische Stratege James Carville skizzierte kurz und knapp, was Harris mit ziemlicher Sicherheit bevorsteht: „Rassismus ist die Parodontitis Amerikas. Er ist einfach da und wird nicht verschwinden, aber er kann überwunden werden.“
Der Bürgerrechtler Gary Chambers Jr. aus Louisiana ist wiederum der Meinung, dass Trumps Angriffe auf Harris so ungeheuerlich sein könnten, dass sie sich am Ende zu ihren Gunsten auswirken. „Er wird es völlig übertreiben“, sagte Chambers, „und schwarze Frauen werden das nicht tolerieren.“ Afroamerikanerinnen, die treueste Wählerschaft der Demokraten, haben bereits begonnen, Harris zu verteidigen. Jahrelang mussten sie mit ansehen, wie prominente schwarze Frauen wie Ketanji Brown Jackson und Claudine Gay im Zuge der Anti-Woke- und Anti-DEI-Wut, die das Land als Gegenreaktion auf die Black-Lives-Matter-Bewegung erfasste, unter Beschuss gerieten.
Mit der Kandidatur von Harris haben schwarze Amerikanerinnen nun die Möglichkeit, eine prominente schwarze Frau zu unterstützen und sie haben die Initiative ergriffen. Am Sonntag versammelten sich bereits mehr als 40 000 schwarze Frauen in einem von „Win With Black Women“ organisierten Videoaufruf, um sich auf die Verteidigung von Harris vorzubereiten. In der darauffolgenden Nacht schlossen sich mehr als 50 000 schwarze Männer einem Videoaufruf mit der gleichen Mission an. Jede Nacht wurden mehr als eine Million US-Dollar gesammelt. Wie Chokwe Lumumba, Bürgermeister von Jackson, Mississippi, gerne über die Macht und das Potenzial der People of Color sagt: „Wir müssen selbst die Kavallerie sein, auf die wir gewartet haben.“
Doch im Falle von Harris muss diese Kavallerie, diese Verteidigungslinie, eine politische Kraft sein, die weit über die schwarze Gemeinschaft hinausgeht. Denn ihre Kandidatur, die gegen einen Mann antritt, der versucht hat, die Ergebnisse der letzten Präsidentschaftswahlen zu drehen, steht für nichts Geringeres als die Bewahrung unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Die Demokraten – gewählte Funktionäre, Wahlkampfstrategen, Spender und Wähler – sind mit Harris einen verbindlichen Pakt eingegangen: Sie müssen erkennen, dass sie sich auf einer „gläsernen Klippe“ befindet: einer Situation, in der eine Frau nur in Krisenzeiten an die Spitze gelangen kann. Alle Demokraten müssen erkennen, dass sie, indem sie Biden aus dem Rennen gedrängt haben, nun für den Erfolg von Harris verantwortlich sind. Der Austausch von Biden gegen Harris ist ein zu großes Risiko, als dass man es scheitern lassen könnte.
Dieser Artikel erschien zuerst in der New York Times.
Charles M. Blow ist Kolumnist bei der New York Times. Dort schreibt er meist über Politik, soziale Gerechtigkeit und aktuelle Themen.
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