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von Sepp Spiegl

Die Redewendung „Tomaten auf den Augen haben“ ist eine deutsche Ausdrucksweise, die verwendet wird, wenn jemand etwas Offensichtliches nicht bemerkt. Wenn eine Person also „Tomaten auf den Augen hat“, sieht sie sprichwörtlich nicht, was direkt vor ihr liegt. Die Redewendung gehört zum deutschen Alltagsgebrauch und wird oft scherzhaft oder humorvoll eingesetzt, um jemanden darauf hinzuweisen, dass er oder sie unaufmerksam ist.

Herkunft der Redewendung

Die genaue Herkunft der Redewendung „Tomaten auf den Augen haben“ ist nicht eindeutig belegt, doch sie tauchte im deutschen Sprachraum etwa im 20. Jahrhundert auf. Ein möglicher Ursprung könnte in der Assoziation der Tomaten mit der Farbe Rot liegen, die im Volksglauben oft als Symbol für Verlegenheit oder Blindheit gesehen wird. Eine Theorie besagt, dass das Rot der Tomaten auf eine leichte Augenreizung hindeuten könnte, ähnlich wie gerötete Augen, die durch eine schlechte Sicht symbolisiert werden. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Person, die „Tomaten auf den Augen hat“, nicht gut oder klar sieht. Auch wird angenommen, dass Tomaten in früheren Jahrhunderten als Symbol für Unklarheit oder Verwirrung galten, da sie noch nicht als allgemein essbar angesehen wurden. Eine andere, eher humoristische Theorie geht davon aus, dass der Ausdruck auf eine bewusste Übertreibung zurückgeht: Die Vorstellung, dass jemand Tomaten anstelle von Augen hätte, vermittelt den Eindruck, dass die Sicht völlig verdeckt oder getrübt ist.

Bedeutung und Gebrauch

Die Redewendung „Tomaten auf den Augen haben“ wird in der deutschen Alltagssprache auf vielfältige Weise verwendet, um eine gewisse humorvolle Kritik an der Unaufmerksamkeit oder Vergesslichkeit eines Menschen auszudrücken. Sie findet in Gesprächen zwischen Freunden, in der Familie und sogar im Arbeitsalltag statt – allerdings in diesem Fall eher im lockeren Kollegenkreis. Oft wird die Wendung als eine Art „freundlicher Seitenhieb“ genutzt, der auf eine ablenkende, gedankenverlorene oder schlichtweg unaufmerksame Handlung hinweist.

Gebräuchliche Situationen und Beispiele

Hier sind einige typische Situationen, in denen die Redewendung verwendet wird:

  1. Alltägliche Ablenkungen: Ein klassisches Beispiel wäre, wenn jemand nach einer Sache sucht, die eigentlich direkt vor ihm oder ihr liegt, wie die Brille oder die Schlüssel, die auf dem Tisch liegen. Hier könnte der Partner oder ein Freund scherzhaft fragen: „Hast du Tomaten auf den Augen?“ Die Redewendung lenkt auf humorvolle Weise darauf hin, dass die gesuchte Sache eigentlich direkt sichtbar ist.
  2. Übersehene Details: Ein weiteres Beispiel ist, wenn jemand auf dem Weg zur Arbeit an einem neuen Geschäft vorbeigeht, dieses aber überhaupt nicht wahrnimmt, obwohl es auffällig gestaltet ist. Ein Kollege könnte dann überrascht fragen: „Hast du Tomaten auf den Augen? Das ist doch schon seit einer Woche dort!“
  3. Fehlende Aufmerksamkeit in Gesprächen: Manchmal wird die Redewendung auch verwendet, wenn jemand in einem Gespräch etwas Offensichtliches überhört. Wenn jemand beispielsweise während eines Meetings wiederholt nach Informationen fragt, die bereits besprochen wurden, könnten Kollegen scherzhaft sagen: „Na, hast du Tomaten auf den Augen (oder Ohren)?“
  4. Schul- oder Ausbildungsbereich: Auch Lehrer oder Ausbilder verwenden diese Redewendung manchmal, um auf eine offensichtliche Unachtsamkeit der Schüler hinzuweisen. Wenn ein Schüler zum Beispiel eine Frage stellt, deren Antwort bereits deutlich an der Tafel steht, könnte ein Lehrer in lockerer Weise fragen: „Hast du Tomaten auf den Augen?“ Dabei ist jedoch ein sensibler Umgang wichtig, um niemanden bloßzustellen.
  5. Beziehungen und Freundschaften: In freundschaftlichen oder partnerschaftlichen Beziehungen kann die Wendung spielerisch verwendet werden, um etwaige Missverständnisse oder übersehene Kleinigkeiten zu kommentieren. Wenn jemand beispielsweise nicht bemerkt, dass der Partner ein neues Kleidungsstück trägt, könnte der andere lachend sagen: „Na, hast du Tomaten auf den Augen?“

Situative Anpassung und Sprachgebrauch

Die Redewendung „Tomaten auf den Augen haben“ ist in erster Linie humorvoll und sollte auch so verstanden werden. Sie wird meistens in einem freundlichen oder scherzhaften Tonfall angewandt, da sie den Mangel an Aufmerksamkeit zwar kritisiert, aber eher in einer scherzhaften, nicht vorwurfsvollen Art. Der Kontext spielt eine wichtige Rolle: In formellen oder eher strengen Situationen, wie in einem offiziellen beruflichen Umfeld, wird die Redewendung weniger verwendet, da sie dort als zu locker oder gar unprofessionell wirken könnte. Es ist ebenfalls interessant, dass die Redewendung gelegentlich abgewandelt wird, um den Ausdruck auf die „Ohren“ anzuwenden. Dann wird die Frage gestellt: „Hast du Tomaten auf den Ohren?“, wenn jemand etwas Offensichtliches nicht gehört hat. Diese Variation ist weniger gebräuchlich, findet aber in humorvollen Kontexten durchaus Anwendung.
Insgesamt ist „Tomaten auf den Augen haben“ ein Ausdruck, der für eine humorvolle und leicht ironische Art von Kritik steht und in geselligen, freundschaftlichen Situationen dem Dialog eine humorvolle Note verleiht. Die Redewendung ist heute fest im Sprachgebrauch verankert und wird gern verwendet, um auf liebevolle Weise auf eine kleine Unachtsamkeit hinzuweisen.

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