von Sepp Spiegl

Wenn jemand in Deutschland empört oder ungläubig ruft: „Das ist ja ein dicker Hund!“, ist das kein Hinweis auf einen übergewichtigen Vierbeiner, sondern Ausdruck des Staunens, der Empörung oder Verwunderung. Doch woher stammt diese bildhafte Redewendung – und wie wird sie heute in Alltag, Politik, Wirtschaft oder gar unter Jugendlichen verwendet?

Herkunft und Geschichte: Aus dem Jagdjargon ins Alltagsdeutsch

Die Redewendung „Das ist ein dicker Hund“ stammt wahrscheinlich aus dem späten 19. Jahrhundert, möglicherweise aus dem jagdlichen Umfeld. Der „dicke Hund“ war dabei sinnbildlich das größte oder unerwartetste Wild, das bei der Jagd auftauchte. Im übertragenen Sinn wurde daraus ein Ausdruck für eine besonders auffällige oder unglaubliche Begebenheit. Es gibt auch Hinweise, dass der Begriff im Milieu des Berliner Bürgertums als Ausruf des Ärgers oder der Überraschung etabliert wurde – ähnlich wie „Das ist ja wohl die Höhe!“. Im Mittelalter selbst lässt sich die Redewendung so noch nicht belegen. Allerdings war es üblich, Tieren besondere Eigenschaften zuzuschreiben – und Hunde galten sowohl als treue Begleiter wie auch als Symbol für Kraft, Schutz und Instinkt. Möglicherweise wurde der „dicke Hund“ später als übersteigerte Form solcher Eigenschaften verstanden.

Im heutigen Alltagsdeutsch ist die Redewendung zwar nicht mehr allgegenwärtig, aber durchaus noch bekannt, vor allem in älteren Generationen oder in bestimmten Regionen. Sie wird genutzt, um auf ungeheuerliche Ereignisse oder unerwartete Entwicklungen hinzuweisen.

Beispiel Alltag:
„Jetzt hat der Nachbar schon wieder unseren Parkplatz belegt – das ist doch ein dicker Hund!“ Die Formulierung wird häufig auch ironisch verwendet, wenn man sich gespielt aufregt, etwa über belanglose Dinge.

Auch in der politischen Rhetorik taucht der „dicke Hund“ immer wieder auf, meist als Schlagzeile oder Kommentar in Zeitungen, Talkshows oder Debatten, um auf politische Skandale oder Fehlentscheidungen hinzuweisen. Beispiel Politik:„Dass der Minister von nichts gewusst haben will – das ist ein dicker Hund!“

In der Wirtschaft wird der Ausdruck seltener gebraucht, doch gerade in Krisenzeiten oder bei besonders dreisten Managemententscheidungen kann er eine volkstümliche Empörung ausdrücken. Beispiel Wirtschaft: „Millionenboni trotz Firmenpleite – das ist ein dicker Hund!“

Jugendlicher Sprachgebrauch: Veraltet, aber stilistisch reizvoll

Unter Jugendlichen ist die Redewendung heute eher veraltet und wird kaum noch spontan verwendet. Wenn überhaupt, dann in ironischer oder stilisierter Form, etwa im Rahmen von Retro-Slang oder zur bewussten Abgrenzung von generischen Phrasen wie „krass“ oder „what the hell“.

Beispiel Jugendliche (ironisch):
„Ey, mein Mathelehrer hat wieder ’ne Ex geschrieben. Dicker Hund, Alter!“

Positive und negative Anwendungsmöglichkeiten

Meist wird der Ausdruck negativ verwendet – als Ausdruck von Empörung, Kritik oder Unverständnis. In seltenen Fällen kann „ein dicker Hund“ aber auch eine sensationelle, aber erfreuliche Überraschung meinen.

Negativ:
„Die haben einfach die Preise verdoppelt – das ist ein dicker Hund!“

Positiv (selten):
„Der Lottogewinn war ein echter dicker Hund – hätte ich nie gedacht!“

Internationale Vergleiche: Gibt es den „dicken Hund“ auch im Ausland?

Obwohl der „dicke Hund“ ein typisch deutsches Idiom ist, gibt es ähnliche Ausdrücke in anderen Sprachen:

  • Englisch: „That’s a whopper!“ (Das ist ein Riesenklopper!) oder „That’s outrageous!“

  • Französisch: „C’est énorme !“ (Das ist riesig!)

  • Italienisch: „È una cosa assurda!“ (Das ist absurd!)

  • Spanisch: „¡Es el colmo!“ (Das ist die Höhe!)

In allen Fällen steht der Ausdruck für Ungläubigkeit oder Empörung, wird aber kulturell unterschiedlich gefärbt – mal emotionaler, mal nüchterner.

Ein dicker Hund mit langem Atem

Die Redewendung „Das ist ein dicker Hund“ hat ihren festen Platz im deutschen Sprachschatz, auch wenn sie etwas aus der Mode gekommen ist. Ihre Stärke liegt in der bildhaften, humorvollen Übertreibung, die gerade in kritischen Kommentaren oder ironischen Bemerkungen besonders wirkungsvoll ist. Vielleicht ist sie kein jugendlicher Trend mehr – aber ein sprachliches Denkmal für die Kraft des deutschen Idioms.

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