Ehrlich auf Pflichtdienst einstimmen
von Dieter Weirich

„Was nutzt die beste Sozialpolitik, wenn die Kosaken kommen“. Dieses Zitat des liberalen Politikers und Theologen Friedrich Naumann gebrauchte der ehemalige christdemokratische Bundeskanzler Helmut Kohl gerne, wenn er die von pazifistischen Grundströmungen angekränkelte Bundesrepublik auf die Notwendigkeit der Wehrfähigkeit im kalten Krieg einzustimmen versuchte. Ihm ging es um eine von glaubwürdiger Abschreckung geprägte Außen-und Sicherheitspolitik.
Wer nach Wladimir Putins Überfall auf die „Ukraine „in einer anderen Welt aufgewacht“ ist, wie einige Politiker erklärten, musste ein „sicherheitspolitischer Langschläfer“ gewesen sein. Es war doch nicht zu übersehen, dass der russische Diktator, der den „Zerfall der Sowjetunion für die größte geopolitische Katastrophe“ hält, schon seit Jahren im ostukrainischen Donbass einen als „Freiheitskampf von Separatisten“ getarnten Krieg führte und seine „grünen Männchen“ die Schwarzmeer-Halbinsel Krim besetzt hatten. An seinen Händen klebte auch das But von Grosny und Aleppo..
Ex-Kanzlerin Merkel und ihre Regierungen haben in der Russlandpolitik versagt. Die Bundeswehr wurde in dieser Zeit kaputt gespart, die Republik geriet in eine gefährliche energiepolitische Abhängigkeit der Russen.
Europa ist ohne den Beistand der USA nicht sicher, muss sich aber Schritt für Schritt selbst unabhängig machen, auch von den Vereinigten Staaten, deren irrlichternder Präsident die Schuld an dem Ukrainekrieg beiden Konfliktparteien gibt, deren Oberbefehlshaber sich halt wie Schuljungen balgten.
Das jetzt von den westlichen Verteidigungsministern beschlossene Aufrüstungsprogramm mit der Verbesserung der Luft-und Raketenabwehr und der Produktion von Langstreckenwaffen geht in die richtige Richtung. Wenn die Bundeswehr mindestens 60 00 neue Soldaten braucht, ist das freilich mit den angedachten Wehrdienstmodellen der Freiwilligkeit nicht zu machen.
Die Politik sollte sich ehrlich machen und einen allgemeinen Pflichtdienst für Männer und Frauen vorbereiten und gleichzeitig der Bevölkerung die unangenehme Wahrheit nicht ersparen, dass eine Erhöhung der Wehrausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung zwangsläufig mit sozialen Einschränkungen und Zumutungen verbunden ist.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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