Worte als Waffen

Autor Dieter Weirich

Für den freien Westen ist er ein Kriegsverbrecher, Wladimir Putin hingegen sieht sich bei seinem – „Spezialoperation“ genannten – grausamen Krieg gegen die Ukraine auf einer historischen Mission. Zu seinen großen Vorbildern in der Geschichte gehört ausgerechnet Napoleon, dessen diktatorisches Regime die Herrschaft über weite Teile Kontinentaleuropas ausübte, 1812 aber vor Moskau scheiterte und der in der Verbannung endete. Offensichtlich hat sich der Regent im Kreml Napoleons Informationspolitik abgeschaut. Obwohl die Verbreitung der Presse damals noch begrenzt war, bereitete der Kaiser seine europäischen Feldzüge mit Falschmeldungen vor, um seine Gegner zu täuschen. Lügen gehören auch zu Putins Standardrepertoire.

Die zweite Kriegsfront ist in diesen Tagen die Welt der Medien. Putin hat sein Land in eine Propagandahölle verwandelt. Facebook und Twitter wurden gesperrt, die wenigen staatsunabhängigen Medien verboten. Alle internationalen Korrespondenten verlassen das Land, weil ihnen durch das neue russische Mediengesetz für freie Berichterstattung hohe Haftstrafen drohen. Schon das Wort Krieg steht auf dem Index. Die BBC kehrt in der Ausnahmesituation sogar zur guten alten Kurzwelle zurück.

Der Konflikt wird als „Rache für den antirussischen Kampf des Westens in der Vergangenheit“ ausgegeben. Die „Brüder und Schwestern in der Ukraine“ müssten von den Nazis befreit und von den US-Marionetten in der Regierung erlöst werden.

Wer gegen den Tyrannen auf der Straße demonstriert, geht ein hohes persönliches Risiko ein. Schon vorher hatte Putin Oppositionelle drangsaliert, mundtot gemacht, eingesperrt oder wie den Systemkritiker Nawalny vergiften lassen.

Die russische Bevölkerung ist seit Jahrzehnten einer nationalistische Züge tragenden Gehirnwäsche ausgesetzt. Putin-Gegner in der Zivilgesellschaft erreichen die „kritische Masse“ nicht. Im staatlichen Fernsehen mobilisiert man im Grunde apolitische Bürger, das Z als Abzeichen des Sieges zu tragen.

Nichts spricht dafür, dass Putin diesen Völkermord stoppt. „Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft“, wusste schon Bertolt Brecht.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

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