Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Karin Büchel: Kein Tag ohne Luzie (Franzius)

Einen Alptraum hat die Autorin, die bisher durch Regionalkrimis aus dem Bonner Raum aufgefallen ist, hier aufgegriffen. Der Fall geht auf das Jahr 2007 zurück. Die Protagonistin ist eine aufsässige Pubertierende. Die Eltern haben der Autorin zur Verfügung gestellt, was an Zeitungsartikeln und anderen Dokumenten seitdem angefallen sind.

Luzie wird als ältestes von vier Kindern 1980 in Ostberlin in eine Familie geboren, in der beide Eltern überarbeitet sind: die Mutter studiert Medizin und Psychologie, der Vater ist Facharbeiter. Je älter Luzie wird, umso öfter gibt es Streit zwischen Mutter und Tochter. Wie viele Teenager schottet die Tochter Gedanken, ihren Umgang, ihre Ziele völlig ab vor ihren Eltern, die sehr traditionelle Wertvorstellungen haben und vermutlich selbst von allen Anforderungen der Nachwendezeit belastet sind. Es wird keinerlei tiefgehendes empathisches Gespräch zwischen den Beteiligten geschildert. Der kleinkarierte Alltag scheint von Allgemeinplätzen geprägt, zumindest ungewöhnlich bei dem Beruf der Mutter. Die Eltern kennen keinen der Freunde ihrer Tochter und lassen mehrere Gelegenheiten verstreichen.

Anscheinend haben sie einander auch bis dato nie richtig zugehört. In solchem Umfeld ist es ein Schock für die Eltern, als die Tochter sie zwischen Tür und Angel vor vollendete Pläne stellt, sie wolle Sängerin werden, in Griechenland studieren und das durch gleichzeitige Auftritte finanzieren. Dort habe ihr griechischer Freund die besten Beziehungen. Zu viel Neues auf einmal für ihre Familie, die auch nach der Wende nie Urlaub im Ausland gemacht, weder Erfahrung mit noch Kontakte zu Ausländern hat.

Dass der erste Freund durch einen erheblich älteren Griechen ersetzt ist, der Luzie managt, erfahren die Eltern beiläufig. Sie schaffen es nicht, die Tochter in Athen zu besuchen und sich von ihren Lebensumständen ein Bild zu machen. Den Verhaltensänderungen, die sie bei kurzen Heimatbesuchen beobachten, gehen die Eltern nicht auf den Grund. Mehrere Anrufe der Tochter Jahre später lassen nichts Gutes ahnen. Doch wieder ist die Psychologin überfordert.

Plötzlich steht bei den Eltern die Polizei mit schlechten Nachrichten vor der Tür. Der zweite Teil des Buches schildert das Entsetzen der Eltern, deren Kampf mit den Behörden. Je verwirrender die Indizien, umso hilfloser ihr Kampf um Aufklärung. Die Familie bekommt kaum Unterstützung. Nicht mal ein zweisprachiger Rechtsanwalt wird ihnen von der deutschen Botschaft empfohlen. Sind die griechischen Gesetze wirklich so oder vertuscht die Behörde in Athen Schlamperei, ist es Kompetenzgerangel, Unvermögen oder Korruption und wenn ja, in wessen Interesse?

Das ganze Drama veranlasste die Mutter zur Gründung eines Vereins, ANUAS e.V .(Hilfsorganisation für Angehörige von Mord-, Tötungs-, Suizid- und Vermisstenfällen,) der in ähnlichen Fällen den Hinterbliebenen Unterstützung und Rat gewährt. Eine haarsträubende Geschichte, die den Leser betroffen zurücklässt.

 

Karin Büchel ist in Gelsenkirchen geboren, mitten im ‚Pott‘. Sie hat in Augsburg und in Bonn Sozialwissenschaften studiert. Seit vielen Jahren lebt sie mit ihrer Familie in unmittelbarer Nähe des Rheins und arbeitet als Pädagogin in Werkstätten für Behinderte. Schon in der Jugend gehörte das Schreiben zu ihrem Alltag. Neben teilweise schwarz-humorigen Kurzgeschichten hat sie in den letzten Jahren Kriminalromane, die im Rheinland spielen, veröffentlicht. Dabei ist ihr stets der regionale Bezug und ein Quäntchen Humor wichtig. Sie ist Mitglied der ‚Mörderischen Schwestern e.V.‘, im ‚Syndikat‘ und in der ‚Literaturwerkstatt Hennef‘.

 

Franzius Verlag GmbH

ISBN: 978-3-96050-247-0

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