Hindernislauf

Autor Dieter Weirich

Appelle zur Beteiligung an der Bundestagswahl am 26.September an die 61 Millionen wahlberechtigten Deutschen werden sich in den nächsten Wochen häufen. Die mit über dreieinhalb Millionen rund vier Prozent der Bundesbürger repräsentierenden Auslandsdeutschen Bundesbürger sind dagegen eine vernachlässigte Minderheit. Der Grund ist einfach: Das Wahlverfahren ist so kompliziert, dass die Wahlbeteiligung bei früheren Entscheidungen gerade mal bei drei Prozent lag und diese magere Partizipation politisch ohne Gewicht war.

Wer im Ausland lebt und an der Wahl teilnehmen will, der muss von der Homepage des Bundeswahlleiters ein Formular herunterladen, ausfüllen und es spätestens 21 Tage vor der Wahl mit einer „strafbewehrten eidesstattlichen Versicherung“ an seine letzte deutsche Wohnsitzgemeinde schicken. Damit ist er in das Wählerverzeichnis dieser Kommune eingetragen, erhält Unterlagen zur Briefwahl, die wiederum frühestens sechs Wochen vor der Wahl versandt werden.

Oft sind freilich die Postwege in bestimmten Ländern langwierig und unzuverlässig Hier bieten sich Möglichkeiten der Nutzung amtlicher Kurierwege von deutschen Auslandsvertretungen. Eine Stimmabgabe ist in jedem Fall mit Mühen verbunden.

 In der Welt von Globalisierung und Digitalisierung sollte unseren Landsleuten draußen ein solcher Hindernislauf bei der Wahrnehmung des vornehmsten demokratischen Rechts nicht länger zugemutet werden. Ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt, dass man die Wahl einfacher gestalten kann. Die Polen halten am Wahltag Konsulate und Botschaften für die persönliche Stimmabgabe offen. Das politische Berlin hält mit dem Argument dagegen, man könne dort nicht die unterschiedlichen Stimmzettel für 299 Bundestagswahlkreise auflegen.

Italiener und Franzosen können dagegen sogar im Ausland lebende Abgeordnete wählen, die nicht einmal einen Wahlkreis im Inland haben, aber eine mit der Heimat verbundene Region repräsentieren. Wie wichtig die Auslandsstimmen für das Inland sind, demonstrieren die Türken mit Wahlbeteiligungen von über 50 Prozent.

Im zusammenwachsenden globalen Dorf sollte sich Deutschland ein solches, seine Landsleute im Ausland ignorierendes System nicht länger leisten.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert immer donnerstags mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst “als liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

 

 

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