Von „Papierkriegern“ gequält

Dieter Weirich

Die staatlichen Gewalten teilen sich in Legislative, Exekutive und Judikative. Ob die Medien in der Demokratie wirklich eine „vierte Gewalt“ sind, kann man verfassungsrechtlich in Zweifel ziehen, in der Praxis einer modernen Demokratie wird man ihnen freilich diese Bedeutung nicht absprechen können. Unbestreitbar ist aber die Bürokratie zu einer „fünften Gewalt“ geworden. Schon der große Erzähler Franz Kafka wusste vor mehr als einem Jahrhundert, dass die „Fessel der gequälten Menschheit aus Kanzleipapier“ besteht.

Noch jede Regierung hat den „Papierkriegern“ den Kampf angesagt und sich gleichzeitig mit an die Front begeben, ohne den Widerspruch anzuerkennen. Die Ampel-Koalition brüstete sich mit großspurigen Ankündigungen, schuf aber mit der Gas-und Strompreisbremse ein Bürokratie-Monster, das vor allem dem Mittelstand einen erheblichen Verwaltungsaufwand und zusätzliche Kosten aufbürdet. Auch das „Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz“ mit seinen Überwachungs- und Haftungsvorschriften bedeutet für den Mittelstand mehr Arbeit in schwierigen Zeiten, obwohl die Regierung doch ein Belastungs-Moratorium versprochen hatte.

Im Aktionsplan „Mittelstand, Klimaschutz und Transformation“ von Wirtschaftsminister Habeck findet man viele Reformvorschläge, zum dringend notwendigen Bürokratieabbau steht da aber nichts Wegweisendes. Auch muss sich der Wirtschaftsminister fragen lassen, ob er mit seinen Detailvorgaben zur Energieeffizienz das Wohnen nicht immer teurer macht und damit auch das Ziel der Bundesregierung unterläuft, die Wohnungskrise durch ehrgeizige Neubauprogramme zu bekämpfen. Auch die überregulierten und praxisfremden Bauordnungen von Ländern und Kommunen sind dabei ein Hemmschuh.

Der Normenkontrollrat, der sich als unabhängige Institution versteht, beklagt eine fortschreitende Bürokratisierung, die in einem Jahr Mehrkosten von fast sieben Milliarden Euro verursacht hat. Der schlanke, die Vorzüge der Digitalisierung voll nutzende Staat bleibt für die sich personell immer mehr aufblähende Ampel eine Illusion.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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