Wie sich eine grüne Landesministerin im „Ländle“ gründlich verspekulierte

Von Jörg Bischoff

Theresia Bauer © @andtag Baden-Württemberg

Als Theresia Bauer, damals noch Wissenschaftsministerin in der grün-schwarzen Landeskoalition von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, sich entschloss, bei der OB-Wahl im November in Heidelberg, also in ihrem Heimatwahlkreis zur Landtagswahl, zu kandidieren, da waren nicht wenige Beobachter verblüfft. Als Ministerin auszuscheiden und stattdessen eine Stufe „abwärts“ als Oberbürgermeisterin anzutreten, das erschien Manchem als unlogisch.

Aber wer da staunte, der kannte das baden-württembergische Kommunalrecht nicht gut genug. Denn Schultes oder gar Ober-Schultes zu werden, das ist einer der Königsposten im „Ländle“. Der Oberbürgermeister vereint hier nämlich, anders als in anderen Bundesländern, gleich drei Ämter in seiner Person. Direkt gewählt, ist er nicht nur Vorsitzender des Stadtrats, sondern auch noch Chef der kommunalen Verwaltung, und er vertritt die Gemeinde nach außen. In der Sprache des Grundgesetzes: er ist Bundeskanzler, Bundespräsident und Bundestagspräsident in einem.

Viel Macht in einer Hand

Damit ist er zwar noch kein absolutistischer Herrscher, hat aber doch ganz schön viel zu sagen. Hinzu kommt bei einem Stadtkreis, wie es Heidelberg mit seinen 160 000 Einwohnern als einer von neun in Baden-Württemberg ist, dass sich auch die vorgesetzte Behörde weit weg befindet. Kein Landrat regiert in die Kommunalpolitik hinein, sondern allenfalls der Regierungspräsident. Und der sitzt im Fall Heidelberg ziemlich weitab in Karlsruhe.

Im Fall der Theresia Bauer wurden die Aussichten in Heidelberg als gut eingeschätzt. Hatte sie doch bei den Landtagswahlen 2021 und 2026 ihren Wahlkreis mit bis zu 41,7 Prozent jedes Mal direkt erobert. Auch ihre Chancen als Grünen-Frau schienen in der Stadt der Studenten als zu Hoffnungen berechtigend. Allerdings hatte Bauers Gegenkandidat, der amtierende Oberbürgermeister Professor Eckart Würzner, als parteiloser Umweltpolitiker und Umweltbeigeordneter der Stadt in zwei vorausgehenden Amtszeiten von jeweils acht Jahren längst von sich reden gemacht.

Grüne Hoffnung auf neue Großstadt

 Und Würzner wurde von CDU, FDP und einer Wählerinitiative unterstützt. Die Grünen in Baden-Württemberg hatten gehofft, nach dem Verlust des OB-Amts in der Universitätsstadt Freiburg wieder einen Chefsessel am Neckar erobern zu können. Denn gegenwärtig befindet sich im Südweststaat nur noch das Amt in der Bodensee- und Universitätsstadt Konstanz in grüner Hand. Das wäre zwar, im Prinzip, auch in Tübingen der Fall. Dort liegt allerdings die Partei im Dauer-Hader mit dem störrischen (eigentlich grünen) OB Boris Palmer, der seinen Sessel unlängst als Parteiloser sogar gegen eine grüne Gegenkandidatin verteidigte.

Doch das Ergebnis in Heidelberg fiel für die 57-jährige ehemalige Ministerin peinlich aus.  Schon im ersten Wahlgang lag sie mit nur 28 Prozent deutlich hinter dem unabhängigen Amtsinhaber, der auf 45 Prozent der 100 000 Wähler kam. Auch bei der entscheidenden Stichwahl erzielte sie bloß 48 Prozent der Stimmen, während der parteilose Amtsinhaber mit 54 Prozent den Sieg davontrug. Offenbar spielte dabei die politisch unglücklich verlaufene Vergangenheit der Ministerin eine Rolle, die sie zu überspielen trachtete.

Es ging so ziemlich alles schief

OB-Wahlen sind Persönlichkeitswahlen. Die Person gibt den Ausschlag. Jahrelang stritt sich Theresia Bauer mit der Verwaltungsfachhochschule Ludwigsburg herum, wo ein Rektor seinen Professorenkollegen eigenmächtig Zulagen zum Gehalt gewährt hatte. Die Ministerin hatte es nicht für nötig befunden, darüber die Staatsanwaltschaft oder andere Behörden zu informieren. Als Bauer schließlich zudem die Ablösung der von ihr selbst eingesetzten Rektorin durchgesetzt hatte, ging für sie auch noch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart schief, das einen großen Teil der Zulagen für rechtmäßig erklärte und die Ministerin dulden musste, dass jetzt großenteils weiterhin gezahlt wird.

Eine von Bauer dazu eingesetzte Untersuchungskommission fiel vor Gericht ebenfalls durch. Die Kommission sei keinesfalls unabhängig, sondern von ihrem Ministerium „gelenkt“ gewesen, befanden die Richter. Zu allem Überfluss hatte sie sich auch noch mit den Studierenden angelegt, weil sie Studiengebühren für Nicht-EU Bürger wieder einführte, um den Landeshaushalt zu entlasten. Den Spielraum der Universitäten für den Einsatz von Drittmitteln hatte sie gleichfalls erhöht.

Die Quittung für das Verhalten

Letztlich war sie – ebenfalls ohne Gründe – gegen die Musikhochschulen vorgegangen, indem sie deren Studienplätze drastisch beschränkte. So war das Ergebnis von Heidelberg die Quittung für ein politisches Verhalten, das die Grünen selbst bisher immer scharf verurteilt hatten. Es war gleichsam ein Lehrbeispiel, wie man sich selbst ein Bein stellt, anschließend darüber stolpert und auf die Nase fällt.

Jörg Bischoff ist Journalist, war jahrelang Bonner Korrespondent der Stuttgarter Zeitung sowie anschließend Chefredakteur des Schwarzwälder Boten und der Südwestpresse.

 

 

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