Katrin Burseg – Tage mit Milena
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
www.kreativ-schreibstudio.de
Der Roman verbindet die Themen Klimawandel und die Geschichte der Hausbesetzungen in Hamburg St. Pauli in den 1980er Jahren. Annika, eine Aktivistin von damals trifft in ihrem Lübecker Papierladen auf die 17-jährige Luzie, als letztere bei ihr den Kleber kauft, mit dem sie sich anschließend auf der Straße festklebt. Für den Leser erschließt sich anfangs nicht, warum sich Annika so vehement an die fremde Jugendliche hängt. Gegen jeden Rat ihres besonnenen Lebenspartners steigert sie sich förmlich hinein. Sie nimmt die Teenagerin mit nach Hause, verarztet sie, will sie von ihrem Protest abbringen. Sie identifiziert sich mit dem Mädchen, das von einem Protestcamp zum anderen zieht. Um sie davon abzuhalten, sich als nächstes im Hambacher Forst an einen Betonklotz zu ketten, hängt sich die Ältere wie eine Klette an Luzies Rockzipfel, stöbert sie bei Demos mehrfach auf. Obwohl die das nervt, reisen sie auch noch zusammen nach Italien, um Annikas alten Freund zu suchen. Sehr unwahrscheinlich, dass sich eine Jugendliche darauf einlassen würde, selbst wenn sie dort wieder einen Anlass zur Demonstration findet.
Im Laufe der Handlung rollt sich die Besetzung der Abbruchhäuser in der Hafenstraße detailliert auf, der Alltag in der Aussteigerszene wird geschildert, das Umfeld und die Einsätze der Polizei ausführlich recherchiert. Annika war mitten drin, ebenso wie die kranke Milena und Matti, den sie zusammen mit Luzie dreißig Jahre später in Venedig wiederfindet. Erst dann erfährt sie die Hintergründe, warum und wie genau die Freundschaft endete und sie selbst notgedrungen im bürgerlichen Leben ankam – eine Verkettung unglücklicher Umstände, die Annika mit Schuldgefühlen zurückgelassen hatten.
Der Vergleich der frühen wie späten Radikalisierung der Proteste gelingt der Autorin, jedoch sind die entworfenen Charaktere sehr konstruiert. Annika verhält sich fast pathologisch, wird von ihrer verdrängten Vergangenheit überrollt und der Teenie lässt sich ohne Grund vereinnahmen. Was die Spannung des Buches aufs Minimum reduziert, ist die Art und Weise, wie diese belegbaren Hintergründe als Rückblickhäppchen geschildert werden. Der Leser kennt den Ausgang und erlebt nichts unmittelbar mit.
Katrin Bursegs Faible für Geschichte und Geschichten ließ sie Kunstgeschichte, Literatur und Romanistik studieren. Sie arbeitete als Journalistin, begann dann, Romane zu schreiben und erreichte mit »Unter dem Schnee« ein großes Publikum. In Norddeutschland aufgewachsen und in Hamburg zu Hause, hat sie sich schon früh für die Ozeane und den Klimawandel interessiert. Die damit einhergehenden Folgen für die Küstenregionen und die dort lebenden Menschen haben sie zu ihrem Bestseller »Adas Fest« inspiriert.
Katrin Burseg – Tage mit Milena
Ausgabe: Hardcover, mit Schutzumschlag,
352 Seiten, 13,5×21,5cm
Erschienen am:25.09.2024
ISBN:978-3-453-27455-6
Schreibe einen Kommentar