Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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W.E.B. Du Bois, Along the color line. Eine Reise durch Deutschland 1936

Der Beckverlag legt Auszüge aus den Reiseberichten des Wagner-Liebhabers, Journalisten und Sozialwissenschaflers William Edward Burghardt Du Bois (1868-1963) vor, die dieser z.T. für eine amerikanische Wochenzeitung verfasste. Er hatte während des Kaiserreichs bei Max Weber in Berlin studiert und reiste hier monatelang 1926, 1936, und 1958 sogar in die DDR. Für den Verlag war seine Wortwahl eine besondere Herausforderung, da etliche Begriffe im Deutschen inzwischen zu Recht verpönt sind, einen negativen Subtext andeuten oder mit anderen Inhalten gefüllt sind, jedoch zu seiner Zeit selbstverständlich benutzt wurden oder provozieren sollten. Die gewählte Lösung wahrt den Entstehungshorizont, ohne den Sinn zu verfälschen.

Den heutigen Leser überrascht genau wie den Autor, dass er – der Schwarze – in Deutschland während der olympischen Spiele überall zuvorkommend bedient und höflich behandelt wurde, ganz im Gegensatz zu seiner Heimat. Dort muss er in der Öffentlichkeit und selbst bei Kollegen immer mit offener bis subtiler Zurücksetzung rechnen. Die Erfahrung mag seine Beurteilung positiv beeinflusst haben. Dennoch fragt er sich, wie das zu der offensichtlichen Ausgrenzung der Juden passt, die doch eigentlich Weiße unter Weißen sind. Im Vergleich erkennt er, dass die Vorurteile in Amerika zwar von Kindheit an eingeimpft sind, aber privater Natur, die Diskriminierung der Juden aber staatlich verordnet und akribisch, bis zur Auslöschung, geplant ist. Manche Erkenntnis veröffentlichte er sicherheitshalber erst nach seiner Rückkehr, um Schwierigkeiten vorzubeugen. Etwas eigentümlich wirken seine Parallelen, die er in Russland findet.

Im Nachwort werden Du Bois Beobachtungen verglichen mit denjenigen anderer Schriftsteller, die zur gleichen Zeit gruselnd Deutschland bereisten und mit Distanz voraussagen, welchem Desaster das Land unter Hitler entgegensteuert. Der Blick des schwarzen Fremden eröffnet differenziertere Betrachtung, hier urteilt ein Leidensgenosse ohne die Schrecknisse relativieren zu wollen.

 

WILLIAM EDWARD BURGHARDT DU BOIS, (1868–1963) war Soziologe und Bürgerrechtler und gehört zu den einflussreichsten afroamerikanischen Intellektuellen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er studierte vor dem Ersten Weltkrieg in Berlin und promovierte als erster Afroamerikaner in Harvard. Als Professor lehrte er an der Universität von Atlanta. 1909 wurde er Gründungsmitglied der National Association for the Advancement of Colored People. Sein Essayband «The Souls of Black Folk» (1903) ist ein Klassiker der amerikanischen Literatur.

 

Verlag C.H.Beck oHG

978-3-406-79154-3

Erschienen am 12. September 2022

168 S., mit 5 Abbildungen

Hardcover

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