Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Die „Iden des März“ sind eine Metapher für bevorstehendes Unheil, beschreiben sie doch die Ermordung Cäsars am 15.März 44 vor Christi. Von Thornton Wilder über Shakespeare bis Dürrenmatt haben sich die Weltliteratur und auch der Film mit den Tagen des Verrats beschäftigt.

Den Vorwurf des Verrats an der gemeinsamen Sache fürchtet die in Teilen Gewehr bei Fuß zum Verlassen der Berliner Ampel-Koalition stehende FDP. Erinnerungen an das Ende der Regierung von Helmut Schmidt 1982 und die von der SPD erfolgreich inszenierte Verratskampagne gegen die Liberalen werden wach. Deshalb wurde damals von CDU und FDP die Landtagswahl in Hessen verloren.

Die FDP kämpft jetzt allerdings insgesamt ums Überleben, die Vorhaltung des Verrats ist deshalb bei den Wünschen der Wähler nach einem Ende der Ampel zu vernachlässigen. Entscheidend für die Dramatik des anschließenden Bundestags-Wahlkampfes ist der Grund des Ausstiegs. Dafür bieten ein sich noch weiter zuspitzender Haushaltskrach, das für den 12. November erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Solidaritätszuschlag und der Streit um die Rentenreform an.

Das Regieren haben die Ampel-Partner ohnehin längst eingestellt. Sie tragen täglich öffentlich ihre unterschiedlichen Auffassungen vor, der Kompromiss steht nicht mehr in ihrem Wörterbuch. Eine Wahlauseinandersetzung wird thematisch ohnehin ungemütlich. Eine mit der Rezession kämpfende Wirtschaft, leere Bürgergeldkassen, eine steigende Zahl von Insolvenzen und auch Entlassungen, dem Bürger drohende soziale Zumutungen durch Gebührenerhöhungen bei Pflege- und Krankenversicherung – das alles bereitet den Wahlkampfmanagern Albträume.

Schon haben offenkundig Bundespräsidialamt und Bundestagsverwaltung Neuwahl-Szenarien durchgespielt. Bei einem vorzeitigen Abschied etwa der FDP wäre Bundeskanzler Scholz wie sein Vorgänger Schröder 2005 gezwungen, die Vertrauensfrage zu stellen. Eine 21-Tage-Frist bis zur Auflösung der Volksvertretung folgte, spätestens zwei Monate später müssten die Neuwahlen stattfinden, was am 2. oder 9.März 2025 möglich wäre. Das erste März-Wochenende würde aber mit dem Karneval kollidieren, es bliebe also nur der 9.März.

Unter Iden versteht man im Römischen Kalender zwar die Monatsmitte, doch Aussteigern kann es nie früh genug gehen.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

 

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