Weltmacht D. und Friedensengel Sch.
Am 16. Dezember will Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Und sie verlieren, damit – wie angekündigt – am 23. Februar vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden können. So etwas gab es schon einmal in der Nachkriegspolitik. Nämlich im Herbst 1982 unter dem (ebenfalls sozialdemokratischen) Regierungschef Helmut Schmidt, dem danach der Christdemokrat Helmut Kohl folgte. Ob es für die CDU/CSU auch dieses Mal einen vergleichbaren Ausgang geben wird, entscheidet sich also Ende Februar. Wobei die jetzige Ausgangslage eine völlig andere ist. Seinerzeit hatten die Bundesbürger die Wahl zwischen drei Parteien. Heute sind es sechs. Darunter, mit der rechtsextremen AfD und dem schillernden Bündnis Sahra Wagenknecht, solche, deren überraschende Erfolge bei den jüngsten Landtagswahlen an der demokratischen Stabilität der bundesdeutschen Gesellschaft Zweifel aufkommen lassen...
Echte Prüfung der politischen Reife
Nachkriegsdeutschland hat in den 75 Jahren seines staatlichen Bestehens schon eine Reihe von Krisen erlebt und überstanden. In Sonderheit der ehemals westliche Teil des Landes namens Bundesrepublik. Seit seiner Wiedervereinigung sind mittlerweile 34 Jahre vergangen. Jahre, die eigentlich beglückt hätten verlaufen sollen und auch können. Doch schon nach einer vergleichsweise kurzen Zeit gemeinsamer Freude über das unvorhergesehene, besser: unvorhersehbare, wirklich historische Ereignis sind links und rechts der Elbe wieder Unmut, Missgunst, Neid und Zwietracht eingezogen. Keineswegs nur im (inzwischen mehr gar nicht so „neuen“) Osten, sondern (zumindest in der Tendenz) genauso im satten und saturierten Westen. Jetzt, nach dem Scheitern der Berliner Ampel-Regierung und vorgezogenen Neuwahlen in einem von Kriegen und Krisen bewegten Weltgeschehen, steht Deutschland vor seiner vielleicht größten demokratischen Bewährungsprobe.
Zurück auf die gefährliche Schaukel
In normalen Zeiten – also früher – hätte man sich wohl auch nicht über solche Wahlausgänge wie die vom 1. September in Thüringen und Sachsen und wenig später auch in Brandenburg gefreut, aber sich wahrscheinlich achselzuckend gesagt, dass es sich ja „nur“ um Regional-Ereignisse gehandelt habe und der politisch-gesellschaftliche Schaden überschaubar sei. Aber die Zeiten sind längst nicht mehr normal. Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass sich einem die Gedanken an die Gegenwart und Zukunft beruhigt schlafen ließen. Dabei geht es gar nicht einmal allein um die verständliche Sorge, dass die Kriege um Israel und in der Ukraine unter Umständen unkontrollierbare Dimensionen annehmen könnten. Es geht um die ganz offensichtliche Rückkehr von eigentlich überzeugt demokratisch gesinnten Gesellschaften in Europa zu längst überwunden geglaubten nationalistischen, fremdenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen bis hin zu faschistischen Ideen.
Mehr Erschöpfung als Verrat
Weirichs Klare Kante Die "Iden des März“ sind eine Metapher für bevorstehendes Unheil, beschreiben sie doch die Ermordung Cäsars am 15.März 44 vor Christi. Von Thornton Wilder über Shakespeare bis Dürrenmatt haben sich die Weltliteratur…
FDP sucht dringend Rettungsring
Die in Umfragen dahinsiechenden Freien Demokraten suchen nach einem Rettungsring. Der aktuelle, 75. Bundesparteitag der Liberalen in Berlin könnte die unklare Überlebens-Strategie der Partei aufhellen. Die ständigen Angriffe von FDP-Chef Christian Lindner auf den rot-grünen Teil der Ampel-Koalition veranlassen manche Betrachter zu der Spekulation, der Bundesfinanzminister wolle - wie 1982 Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff - eine Brandfackel in das Regierungsbündnis werfen und es letztlich zum Einsturz bringen. Doch dafür stehen in der augenblicklichen Situation keine Alternativ-Möglichkeiten zur Verfügung. Was also sollte die FDP tun?
Führung gesucht. Aber wo?
Wer kennt sie nicht, die Szene am (sagen wir) sonntäglichen Mittagstisch. Die (bereits mehrere Generationen umfassende) Familie sitzt nach dem opulenten Mahl zum gemütlichen Plausch beisammen. Gerade ist der Senior dabei, temperamentvoll einen Schwank oder eine Begebenheit aus früheren Jahren zu Gehör zu bringen. Offensichtlich aber finden die beiden Youngster weder das Eine, noch das Andere sonderlich cool. „Komm“, sagt der Jüngere, „lass uns gehen. Opa erzählt wieder mal vom Krieg“. Zugegeben, die Zote ist nicht neu und deshalb auch nicht mehr sonderlich originell. Allerdings hat sie damit keineswegs an innerer Wahrheit verloren.Denn Opa könnte nicht nur von Stalingrad berichten, sondern auch vom Hunger nach dem Krieg, von Wiederaufbau und Entbehrung. Und von Persönlichkeiten, denen wir unsere Freiheit, und Demokratie verdanken. Wo gibt es heute solche Köpfe?
Deutschland, beängstigend Vaterland
Es ist Halbzeit. Halbzeit in dieser Bundestags-Wahlperiode. Halbzeit für das bunte Regierungs-Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Demokraten. Halbzeit für eine bis dahin auf Bundesebene noch nie gekannte Dreier-Konstellation, die angetreten war mit dem anspruchsvollen Versprechen, eine „Fortschrittskoalition“ zu sein und das in den 16 Jahren Merkel-Kanzlerschaft schläfrig gewordene Land wieder auf Trab zu bringen. Na ja, so ganz stimmt es nicht mit der halben Regierungszeit. Denn richtig zu arbeiten begann das Ampelbündnis ja erst ein Vierteljahr nach dem 2021-er Wahltermin. Aber die Stimmung ist mies im Lande. Die Meinungsumfragen zeigen die Berliner Koalitionäre im Keller. Wird die zweite Halbzeit besser? Trotz Ukraine-Krieg? Trotz noch immer ungelöster Migrationsprobleme?
Die Pionierin
Die unlängst, kurz nach ihrem 80. Geburtstag verstorbene Heide Simonis hat nicht nur eine große Lücke in der deutschen Politik und Gesellschaft hinterlassen. Zu ihrem Erbe gehört vielmehr auch eine Gesellschaft, an deren Fortentwicklung die Sozialdemokratin erheblichen Anteil besitzt. Das gilt vor allem für die deutlich feststellbar angewachsene Teilnahme von Frauen an den vielfältigsten Entscheidungsbereichen. Die gebürtige Bonnerin und promovierte Volkswirtin ging mit der Devise voran, dem eigenen Können und Wissen zu vertrauen - völlig losgelöst vom Geschlecht. Als erste Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes war sie eine Pionierin und schrieb Geschichte.
Vor 40 Jahren: Dramatisches Ende von SPD/FDP
Der 17. September 1982 war ein Freitag. An sich ein ganz gewöhnlicher Tag. Aber trotzdem ein Datum, das in die Geschichtsbücher gehört. An diesem Tag zerbrach nämlich, nach 13 Regierungsjahren in Bonn das zunächst mit hochfliegenden Versprechungen und entsprechenden Erwartungen („Wir wollen mehr Demokratie wagen“) versehene sozialliberale Bündnis aus SPD und FDP. Jenes „Reform“-Konstrukt aus politisch runderneuerten Sozial- und Freidemokraten also, das 1969 mit hauchdünner Mehrheit die erste Große Koalition unter dem schwäbischen CDU-Mann Kurt-Georg Kiesinger abgelöst und damit – gleichsam symbolhaft – die Adenauer-Ära beendet hatte. Es war ein dramatisches Ende in einem dramatischen Zeitabschnitt mit nicht minder dramatischen Auswirkungen vor allem auf die deutsche Innenpolitik. Unter anderem schlug damals die Geburtsstunde einer neuen „Bewegung“ - der Grünen.
Das SPD-Gedächtnis und seine Kellermeister
Mehr als 150 Jahre alt ist die SPD. Sie ist damit die älteste deutsche Partei. In diesen anderthalb Jahrhunderten ist viel passiert. Entsprechend lang und vielseitig ist das "Gedächtnis" der Sozialdemokratie. Ein Gedächtnis, das in mehr als 50 Kilometer Akten, in tausenden von Plakaten, in Hinterlassenschaften großer und großartiger Persönlichkeiten in den Untergeschossen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn lagert - verwaltet und gepflegt von zahlreichen archivarisch geschulten Kellergeistern.