Weirich am Montag:
Komplimente sind wie Parfum

In einer Zeit, wo uns der Sinn für den Wert zivilisierter geistiger Auseinandersetzungen verloren zu gehen droht, sollten wir den aktuellen „Welt-Aktionstag der Komplimente“ als Ermunterung begreifen, unsere Mitmenschen durch eine nette Geste glücklich zu machen. Die Amerikaner begehen diesen Tag der Wertschätzung für die eigene Familie, Freunde, Nachbarn oder Kollegen schon seit langem am 24. Januar, die Europäer haben sich seit eineinhalb Jahrzehnten angeschlossen, ihn in der Liste der häufig kuriosen Aktionstage für die ganze Welt am 1. März einen Ehrenplatz zuzuweisen.
Schöpfer dieser Initiative waren Niederländer, für die Mutter und Vatertag oder auch der Valentinstag als Anlässe der Zuneigung inzwischen allzu kommerzialisiert sind. Ein gutes Kompliment ersetze, sagen die Holländer, ein Geschenk und sei deshalb menschlich besonders wertvoll. Daran zu erinnern, sei ein wichtiges Datum.
„Von einem guten Kompliment kann ich zwei Monate leben“, gestand einst der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, der 1878 Deutschland bereiste, hier den „Gipfel der Schönheit“ erlebte und in seinem Buch „Bummel durch Europa“ auch Frankfurt mit Komplimenten bedachte. In der Geburtsstadt Goethes fielen im besonders die „gepflegten Erscheinungen“ auf.
Die Deutschen werden in ihrem Selbstwertgefühl gerne durch auswärtiges Lob gestärkt. Auch da geizte Twain nicht mit Komplimenten. „Warmherzig, gefühlvoll und impulsiv“, nicht nur „sauber und ordentlich“ seien sie, die Germanen. Ob er diese Spezies freilich in der Mainmetropole angetroffen hat, ist nicht überliefert.
Wer diesen Tag als guten Vorsatz betrachtet, mit mehr Wertschätzung seiner Mitwelt zu begegnen, sollte freilich wissen, dass Komplimente, ob gegenüber dem Ehepartner, den eigenen Kindern, der Sekretärin, dem Geschäftsfreund oder Nachbarn zum richtigen Zeitpunkt, ohne Übertreibung, vor allem also glaubwürdig dargebracht werden müssen. Die französische Film-Ikone Catherine Deneuve erkennt „Dilettanten an der Plumpheit ihrer Komplimente“. Sie weiß: „Der routinierte Verführer riskiert Kritik“.
Der irische Schriftsteller Oscar Wilde glaubte übrigens an eine unterschiedliche Reaktion der Geschlechter durch Komplimente, die nur Männer, aber nie Frauen entwaffneten. Für ihn gab es einen großen Unterschied zwischen Komplimenten und Schmeicheleien. Komplimente seien wie“ Parfüm, sie dürfen duften, aber nie aufdringlich werden“.
Wer keiner Ermunterung zu netten Gesten bedarf, dem bietet der breit aufgestellte Kalender von Aktionstagen heute freilich noch ein anderes Bewusstsein bildendes Datum. Der „Zero Discrimination Day“ der Vereinten Nationen zielt darauf ab, die Gleichstellung vor dem Gesetz und in der Praxis in allen UN-Mitgliedsländer zu fördern. Ein Engagement, das auch ein Kompliment verdient. (Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Neuen Presse).
Dieter Weirich (Jg. 1944) war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst „als liberalkonservativen Streiter“ sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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