Nachruf: Jochen Mass – Ein Leben auf der Überholspur
von Sepp Spiegl

Jochen Mass zählt zu den bekanntesten deutschen Rennfahrern des 20. Jahrhunderts. Mit einer Karriere, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte und sowohl Formel-1-Rennen als auch Langstreckenklassiker wie die 24 Stunden von Le Mans umfasste, prägte Mass eine Ära des Motorsports. Neben seinen sportlichen Erfolgen war er auch für seine technische Kompetenz, seine Leidenschaft für historische Fahrzeuge und seine charismatische Persönlichkeit bekannt.
Frühes Leben und Einstieg in den Motorsport
Jochen Mass wurde 1946 in Dorfen, etwa 45 km östlich von München, geboren. Als er acht Jahre alt war, starb sein Vater. Mit der Mutter und seiner älteren Schwester zog er nach Frankenthal bei Ludwigshafen. Von 1956 bis 1964 besuchte er das damalige Internat Otto Heinrich Stift in Mannheim, das er vorzeitig verließ, um Matrose der Handelsmarine zu werden. Sein Interesse am Motorsport entstand, als eine Freundin Streckenposten bei einem Bergrennen war. Um auch Rennen fahren zu können, begann er eine Ausbildung bei der Alfa-Romeo-Niederlassung Helmut Hähn in Mannheim, die einen eigenen Rennstall unterhielt. Jochen Mass war verheiratet und hatte vier Kinder, zwei Söhne aus erster Ehe und zwei Töchter aus zweiter Ehe. Er lebte mit seiner Frau in Frankreich. Er starb am 4. Mai 2025 im Alter von 78 Jahren in Cannes an den Folgen eines im Februar 2025 erlittenen Schlaganfalls.
In den späten 1960er-Jahren entdeckte er den Motorsport für sich und begann zunächst mit Tourenwagenrennen in Deutschland. Er fuhr unter anderem für Ford in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM), bevor er in die höheren Klassen aufstieg.
🏁 Formel 1 (1973–1982)
Jochen Mass fuhr zwischen 1973 und 1982 in der Formel 1 und nahm an 114 Grand Prix teil. Dabei erzielte er folgende Erfolge:
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Jochen Mass beim British Grand Prix, 1974 © Martin Lee-Wikipedia 1 Grand-Prix-Sieg:
– Großer Preis von Spanien 1975 (Montjuïc Park, Barcelona), für McLaren-Ford.
– Das Rennen wurde vorzeitig abgebrochen, nachdem ein Unfall mit Carlos Pace mehrere Zuschauer tötete. Trotzdem wurde Mass offiziell als Sieger gewertet. -
8 Podestplätze:
Neben dem Sieg stand er mehrfach auf dem Podium, u. a. in Österreich, Brasilien und Schweden. -
71 Meisterschaftspunkte
Für die damalige Zeit – mit deutlich weniger Rennen pro Saison – eine respektable Punktesumme. -
Teams:
– Surtees
– McLaren
– ATS
– Arrows
– March
Jochen Mass galt als exzellenter Test- und Entwicklungsfahrer. Er war maßgeblich an der Verbesserung der McLaren-Chassis beteiligt und wurde intern sehr geschätzt, auch wenn er nie ein Titelanwärter war.
🏆 Sportwagen- und Langstreckenrennen
Nach seinem Abschied von der Formel 1 wechselte Mass in den Langstreckenrennsport, wo er seine größten Erfolge verbuchte.
✔️ 24 Stunden von Le Mans
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Gesamtsieg 1989 auf einem Sauber-Mercedes C9
– Teamkollegen: Manuel Reuter und Stanley Dickens
– Jochen Mass war zu diesem Zeitpunkt 42 Jahre alt und einer der erfahrensten Fahrer im Feld.
✔️ Gruppe C & Sportwagen-Weltmeisterschaft
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Jochen Mass war ein Schlüsselmitglied im Werksteam von Mercedes-Benz (Sauber-Mercedes).
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Er feierte mehrere Siege und Podien in der Gruppe-C-Weltmeisterschaft, darunter auf Strecken wie Spa, Monza und Silverstone.
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Er diente auch als „Mentor“ für junge Fahrer wie Michael Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger, die bei Sauber unter Vertrag standen.
🚗 Tourenwagen- und DRM-Erfolge (1970er)
Vor seiner Zeit in der Formel 1 war Mass erfolgreich im Tourenwagensport, vor allem in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM):
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Ford Capri RS 2600 und RS 3100:
– Zahlreiche Siege und Podien für das Werksteam Ford Köln.
– Er wurde 1972 Vizemeister in der DRM. -
BMW & Porsche Engagements
– Auch sporadische Einsätze mit BMW und Porsche in den 1970er-Jahren, darunter bei der Tour de France Auto und dem 1000-km-Rennen am Nürburgring.
🏎️ Formel 2 & Formel 3
Bevor Mass in die Formel 1 aufstieg, fuhr er in der Formel 2 und gewann dort mehrere Rennen. Seine Zeit in der Formel 3 diente als Sprungbrett in den internationalen Motorsport.
🏁 Historischer Motorsport und Ehrenrollen
Auch nach seinem Rücktritt vom aktiven Profisport blieb Mass im Motorsport aktiv:
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Teilnahme an historischen Rennen (z. B. Goodwood, Le Mans Classic)
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Markenbotschafter für Mercedes-Benz Classic
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TV-Kommentator und Berater
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Ehrengast bei Motorsportveranstaltungen weltweit
Leben nach der Profikarriere
Nach seinem Rückzug aus dem aktiven Motorsport blieb Jochen Mass der Szene erhalten – sowohl als Berater als auch als Markenbotschafter, insbesondere für Mercedes-Benz Classic. Er nahm regelmäßig an historischen Rennen und Oldtimerveranstaltungen wie dem Goodwood Festival of Speed oder der Mille Miglia teil. Mass war für sein umfangreiches Wissen über die Technik und Geschichte des Motorsports bekannt. Zudem arbeitete er als Co-Kommentator bei TV-Übertragungen von Formel-1-Rennen und Langstreckenklassikern, wo er sein Wissen und seine charmante Art einbrachte. Seine Hobbys umfassten klassische Automobile, Literatur, Geschichte und Segeln – eine Leidenschaft aus seiner Jugendzeit als Seemann. Er lebte viele Jahre in der Schweiz und später auch in Südfrankreich.
🗓️ Jochen Mass – Chronologie seiner wichtigsten Rennen und Erfolge
| Jahr | Serie / Event | Team / Fahrzeug | Ergebnis / Erfolg |
|---|---|---|---|
| 1968 | Tourenwagen / Nachwuchsrennen | Alfa Romeo | Erste nationale Rennerfahrung |
| 1971 | Deutsche Rennsport-Meisterschaft (DRM) | Ford Capri RS 2600 | Siege auf dem Nürburgring & Hockenheim |
| 1972 | DRM | Ford Capri RS 2600 | Vizemeister hinter Hans-Joachim Stuck |
| 1973 | Formel 1 – Debüt | Surtees-Ford | Einstieg in die Königsklasse |
| 1974 | Formel 1 | McLaren-Ford | Konstante Punkteränge |
| 1975 | Formel 1 – GP Spanien | McLaren-Ford | Erster und einziger GP-Sieg (Montjuïc Park) |
| 1976 | Formel 1 – GP Österreich | McLaren-Ford | 2. Platz |
| 1977 | Formel 1 | ATS (ehemals Penske) | Wechsel zu deutschem Team |
| 1979 | Formel 1 | Arrows | Letztes Podium (3. Platz GP Spanien) |
| 1980 | Formel 1 | Arrows | Letzte volle Saison |
| 1982 | Formel 1 – GP Frankreich | March | Letzter Formel-1-Start |
| 1985 | Sportwagen-WM / 1000 km Spa | Porsche 956 (Brun) | Klassensieg |
| 1987 | Gruppe C / 1000 km Nürburgring | Sauber-Mercedes | Podium |
| 1988 | Gruppe C / Sportwagen-WM | Sauber-Mercedes | Mehrere Podien |
| 1989 | 24 Stunden von Le Mans | Sauber-Mercedes C9 | Gesamtsieg mit Reuter/Dickens |
| 1990 | Sportwagen-WM / Nürburgring | Sauber-Mercedes | Podium |
| 1995 | Historische Rennen | Mercedes-Benz Silberpfeile | Beginn intensiver Oldtimer-Aktivitäten |
| 2000–2020 | Goodwood / Mille Miglia / Classics | Mercedes-Benz / Jaguar / Ford | Regelmäßige Teilnahme an historischen Events |
| 2023 | Le Mans Classic | Sauber-Mercedes (Demorunde) | Ehrengast, Demonstrationsfahrten |
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