Der deutsche Ingenieur Otto Lilienthal studierte den Flug der Störche und baute danach seine ersten Flugmodelle. Er war der Pionier des Fliegens. Lilienthal führte als erster Mensch systematisch Flugversuche durch. Im Jahre 1893 gelangen Otto Lilienthal auf dem Gollenberg in Stölln Flüge mit Weiten bis zu 250 m. Er kam gern in das Ländchen Rhinow, da er hier ideale Bedingungen vorfand. Hier schaffte er es auch, in der Luft eine Kehrtwende zu fliegen. Im April 1896 kam Otto Lilienthal zu dem Schluss, das Problem der Gleichgewichtserhaltung im Fluge durch veränderliche Stellungen der Flügel und nicht durch die Verlagerung des Körpers zu beheben. Am 9. August des gleichen Jahres experimentierte er am Stöllner Gollenberg mit einem leicht veränderten 94`er Modell. Nach einigen erfolgreichen Versuchen erfasste unerwartet eine Windböe seinen Gleiter. Otto Lilienthal stürzte aus einer Höhe von ca. 17 m senkrecht ab. Sofort wurde er von seinen Helfern auf schnellstem Wege in die Bergmannsche Klinik nach Berlin gebracht, wo er tags darauf, trotz sofortiger Operation, seinen schweren Wirbelsäulenverletzungen erlag.

 

Lilienthal wurde am 23. Mai 1848 in Anklam, einer Stadt in Pommern, geboren. Als Kind war er fasziniert von der Natur und den Tieren, besonders von Vögeln und ihren Flugkünsten. Schon in jungen Jahren begann er, über die Möglichkeiten des Fliegens nachzudenken und konstruierte seine eigenen Flugmodelle. Nachdem er sein Studium abgeschlossen hatte, arbeitete Lilienthal zunächst als Ingenieur und Patentanwalt. In seiner Freizeit arbeitete er jedoch an der Entwicklung von Gleitflugzeugen und unternahm erste Flugversuche. Im Jahr 1891 veröffentlichte er sein Buch “Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst”, in dem er seine Ideen und Experimente im Detail beschrieb. Manches daraus setzte die Standards bis heute. Mit einem „Polardiagram“ erfasste Lilienthal die Zusammenhänge von Auftrieb, Widerstand und Anstellwinkel verschiedener Flügeltypen und erkannte die Bedeutung des flach gewölbten Flügelprofils. Und gelangte zu der Erkenntnis: “Die Natur beweist uns jeden Tag aufs Neue, dass das Fliegen gar nicht so schwer ist”. Es bleibt aber nicht nur bei der Theorie. Lilienthal setzte seine Erkenntnisse in die Praxis um und baute seine ersten Gleiter aus Weide und Baumwolle. Die ersten Versuche mit selbstgebauten Segelflugzeugen fanden 1889 statt. Im Juni 1891 sprang er mit seinem Hängegleiter vom Mühlenberg bei Krielow (nahe Potsdam) und glitt etwa 15 Meter weit – die Geburtsstunde der Luftfahrt.

Der Normalsegelapparat von 1893 (Bild 1895) – vier aufgeschobene Profilschienen fixieren das Tragflächenprofil ©wikipedia

Lilienthal baute eine Reihe von Flugapparaten, die er als “Normalsegelapparat” bezeichnete. Diese hatten eine Spannweite von etwa 6 Metern. Sein Ziel war es, die Flugeigenschaften der verschiedenen Flugzeugtypen zu erforschen und zu verstehen. Otto Lilienthal sorgte dafür, dass seine Flugversuche fotografisch gut dokumentiert wurden. Andere Pioniere der Luftfahrt versäumten das; etwa Gustav Weißkopf, der den ersten Motorflug für sich reklamierte, aber nicht mit einem Foto beweisen konnte. Dank der spektakulären Fotos von seinen Sprüngen und Flügen wurde Otto Lilienthal weltberühmt. Er inspirierte Erfinder und Flugenthusiasten rund um den Globus.

Er ließ eigens einen „Fliegeberg“ nahe seiner Wohnung in Berlin-Lichterfelde für seine Versuche aufschütten (heute eine Gedenkstätte). Paul Beylich, Lilienthals Mitarbeiter bei den Fluggeräten, erinnerte sich später: “Als wir unsere Versuche machten, schrieb der Berliner Lokalanzeiger: ‘Wer zwei Verrückte sehen will, muss nach Lichterfelde gehen.’ Lilienthal mit seinem Mechaniker, sie wollen fliegen. Die Berliner kamen sonntags in Scharen raus. Und dann haben sie uns zugeschaut. Und wir sind immer über sie drüber gesegelt”.

Lilienthal am 19. Oktober 1895 mit seinem größeren Doppeldecker. ©wikipedia

In den Rhinower Bergen segelte Lilienthal 1893 bis zu 250 Meter weit – ein Rekord, den lange niemand brach. Bald hatte Lilienthal dank seiner Versuche ein taugliches Fluggerät geschaffen, das er “Normal-Segelapparat” nannte. Dieser Eindecker hatte eine Flügelfläche von 13 Quadratmetern und eine Spannweite von 6,7 Metern. Er wurde in der “Maschinenfabrik Otto Lilienthal” produziert und fand einige Käufer, die aus der ganzen Welt kamen. Der faltbare “Normal-Segelapparat” war also das erste in Serie gefertigte Flugzeug der Welt. Lilienthal meldete ihn zum Patent an. Der Gleiter war allerdings schwer zu handhaben: Der Pilot hing in der Mitte des Geräts wie ein lebender Steuerknüppel, denn nur durch das Bewegen der Beine und Gewichtsverlagerung ließ sich der Gleiter lenken. Mit den Armen stützte der Flieger sich ab und klammerte sich mit den Händen am Rahmen fest – ein enormer Kraftaufwand. Fünf dieser Fluggeräte sind weltweit noch erhalten.

Gedenktafel Schütte-Lanz-Str 25 (Lichf) Otto Lilienthal ©wikipedia

Er erkannte, dass es möglich war, durch die Variation der Flügelgeometrie und -form den Auftrieb und die Flugeigenschaften des Flugzeugs zu steuern. Lilienthal entwickelte auch Techniken, um die Balance des Flugzeugs zu halten und Kurven zu fliegen. Später experimentierte Lilienthal auch mit Vorflügeln, beweglichem Leitwerk und Schwingklappen an den Flügelspitzen. Auch Doppeldecker testete er erfolgreich. Er dachte über den Motorflug nach und plante, mit beweglichen Schwingen quasi flügelschlagend abzuheben. 21 verschiedene Fluggeräte soll er konstruiert haben. Rund 2000 Flugversuche unternahm Otto Lilienthal. Geschätzte fünf Stunden verbrachte er somit insgesamt in der Luft.

Obwohl Lilienthal nie in der Lage war, einen motorisierten Flug durchzuführen, waren seine Arbeiten von großer Bedeutung für die Entwicklung der modernen Luftfahrt. Seine Erkenntnisse und Entwicklungen beeinflussten andere Flugpioniere wie die Brüder Wright und inspirierten sie zu eigenen Experimenten. Seine Arbeit trug auch zur Entwicklung von Flugzeugen bei, die im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurden.

Dann aber kam der 9. August 1896. Am Gollenberg in Stölln bei Rhinow, wo er seit zwei Jahren bevorzugt flog, erfasste Lilienthal bei seinem vierten Flug des Tages eine „Sonnenbö“, eine thermische Ablösung. Er stürzte mit seinem Normalsegler aus einer Höhe von etwa 15 Metern ab. “Ich will mich nur ein bisschen ausruhen, dann geht’s gleich weiter”, soll der Schwerverletzte noch gesagt haben. Man transportierte ihn bewusstlos nach Berlin, wo er am nächsten Tag starb.

Sein Tod war ein großer Verlust für die Wissenschaft und die Luftfahrtbranche, aber seine Vision und sein Vermächtnis lebten weiter. In Anerkennung seiner Leistungen und seines Beitrags zur Luftfahrt wurde Lilienthal oft als “Vater der Luftfahrt” bezeichnet.

 

 

 

 

 

 

 

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