von Dieter Weirich

Dieter Weirich ©seppspiegl

Folgen den unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine anzeigenden Tweets der europäischen Staatschefs beim heutigen EU-Sondergipfel konkrete Taten ? Im Mittelpunkt stehen der von dem britischen Premier Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angedachte Friedensplan im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ mit einer einmonatigen Waffenruhe, gleichzeitig geht es um die Mobilisierung von vielen hundert Milliarden Euro für einen neuen Verteidigungsfonds und einen möglichen Nuklearschirm. Außerdem will Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein Konzept für die Wiederbewaffnung Europas vorlegen.

Von dem Treffen soll ein Signal absoluter europäischer Geschlossenheit ausgehen. Alle kennen den Ernst der Lage: Fällt die Ukraine, scheitert auch Europa.

Noch sitzt der Schock tief über die Demütigung von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyi ,der im Weißen Haus wie ein Stallknecht geschurigelt wurde. US-Präsident Donald Trump stellt offenkundig die Nachkriegsordnung in Frage, betreibt im Ukraine-Konflikt Täter-Opfer-Umkehr und nennt den in allen freiheitlichen Ländern gefeierten Kriegshelden aus Kiew einen Diktator.

Gleichzeitig wissen die Europäer, dass sie bei der militärischen Überlegenheit der Amerikaner noch lange dem Recht des Stärkeren ausgesetzt sind. Die von den USA in der Ukraine bereitgestellte Kriegsinfrastruktur aus Luftabwehr, Munition und technischer Unterstützung durch satellitengestützte Internet-Systeme sind nicht zu ersetzen.

NATO-Generalsekretär Rutte, der die Bereitschaft der USA zur vertraglichen Beistandsverpflichtung nicht in Zweifel zieht, fordert Selenskyi auf , seine Beziehung zu Trump wieder zu kitten, Karmer und Macron sehen sich beide als geeignete Vermittler. Beide haben sich mit dem erratischen Staatschef im Weißen Haus gut verstanden, der Brite schmeichelte seiner Eitelkeit mit einer Einladung des Königs, Macrons „Bromance“ war im Fernsehen mit Umarmungen und Schulterklopfen zu bestaunen.

Die kritische Lage kann aber auch heilsamen Druck auf Europa ausüben, etwa bei der Schaffung einer europäischen Armee, des Heranrückens des Vereinigten Königreiches an Europa und der raschen Bildung einer handlungsfähigen deutschen Regierung.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

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