Die Ritter der Akropoluss

Das Krisenmanagement der EU in Griechenland wäre lachhaft. Wenn es nicht so traurig wäre.

Im Gegensatz zu Monty Python ist das Ziel der Regierung in Athen, dass das Unterhaltungsprogramm ein Ende nimmt

Die britische Komikertruppe Monty Python hätte vermutlich kein absurderes Stück erfinden können als das Krisenmanagement Europas im Falle Griechenlands. Die Absurdität und vor allem die Tragik für die betroffenen Menschen entstehen aus dem ständigen Bemühen, alle Seiten in diesem Verfahren zufriedenzustellen und am Ende gut dastehen zu lassen. Dies verhindert allerdings, dass man sich mit dem Kern des Problems befasst – nämlich der Frage, wie Griechenland wieder auf Wachstumskurs kommen kann und wie die anderen Parameter des Programms daraufhin ausgerichtet werden können. Die beteiligten Akteure könnten ebenfalls der Feder von John Cleese und Konsorten entsprungen sein, ist ihnen allen doch eine gewisse tragikomische Attitüde bei genereller Grundsympathie nicht abzusprechen.

Da ist die griechische Regierungstafelrunde unter dem ehemaligen Hoffnungsträger Alexis Tsipras und seinem Oxford-gestählten Finanzminister Euclid Tsakalotos. Sie arbeiten die vereinbarten Reformen Stück für Stück ab, in der Hoffnung, dass die 2015 zugesagte Schuldenerleichterung irgendwann Realität wird. Dabei trampeln sie über sämtliche rote Linien, die sie in der Vergangenheit in den Sand gezogen haben, lassen ihre Partei der radikalen Linken Privatisierungen ebenso absegnen wie Arbeitsmarktliberalisierungen und Rentenkürzungen. Der Heilige Gral, den sie versuchen zu erlangen, ist eine Schuldenrestrukturierung, die dem Land den Weg in das Paradies einer wieder wachsenden Wirtschaft und des Vertrauens der Märkte weisen soll. Die Europäische Kommission, insbesondere der verantwortliche Kommissar Pierre Moscovici, ist in der Rolle des gütigen und weisen Beraters zu finden. Er zeigt sich durchaus zufrieden mit den Fortschritten Athens, mahnt vorsichtig, gibt Fingerzeige für die nächsten Schritte und ist stets zuversichtlich, dass die wackeren Suchenden auch bald ihr Ziel erreichen werden.

Der Heilige Gral ist eine Schuldenrestrukturierung, die dem Land den Weg in das Paradies einer wachsenden Wirtschaft und des Vertrauens der Märkte weisen soll.

Daneben gibt es noch den Internationalen Währungsfonds (IWF) als eher ambivalenten Akteur. Einerseits vertritt er die Position, dass Athen deutliche Schuldenerleichterungen bekommen muss, ansonsten müsse er sich aus dem Programm zurückziehen. Andererseits zeigt er sich weitgehend unnachgiebig, was die ausstehenden Reformen Griechenlands betrifft, vor allem im Bereich Arbeitsmarktreformen. Weil dies für Tsipras und seine tapferen Minister allerdings eine der schwierigsten Mutproben ist, wissen sie nicht so genau, ob sie sich nun wünschen sollen, dass der IWF dabei bleibt (und ihnen beim Thema Schulden hilft), oder sich lieber zurückziehen soll, damit der Reformeifer nachlässt.

Der gleiche Zweifel gilt auch für den dritten Teil in diesem Stück, die EU-Mitgliedstaaten, organisiert in der Eurogruppe. Auch sie wollen den IWF an Bord haben, weil sie ihn als Kontrollinstanz für Reformen schätzen. Seine Position zu den Schulden passt ihnen jedoch nicht wirklich, auch weil die Rechnung dafür nicht beim IWF selbst liegt, sondern bei den Europäern. Unter dem Vorsitz des auch phänotypisch für einen Monty-Python-Film geeigneten Niederländers Jeroen Dijsselbloem, erkennt man in ihr am ehesten die Ritter vom Ni aus „Die Ritter der Kokosnuss“. In unserem Fall passt eher „Nein“, aber die Logik ist ähnlich.

Von Griechenland werden stets Reformen verlangt, mit dem IWF als Büttel. Das eigene Versprechen –  Entgegenkommen bei den Schulden – wird jedoch nie erfüllt.

Von Griechenland werden stets Reformen, Einschnitte und neue Vorleistungen verlangt, mit dem IWF als Büttel. Das eigene Versprechen – hier lese man ein Entgegenkommen bei den Schulden – wird jedoch nie erfüllt. Das deutsche Finanzministerium zeigt sich hier besonders anspruchsvoll. Griechenland muss liefern, Hausaufgaben machen, Reformen abarbeiten – bei Monty Python war es ein Gebüsch, das verlangt wurde – es ist aber nie genug. Bundesminister Wolfgang Schäuble brilliert in der Rolle der europäischen Sphinx, die mal gütige Zufriedenheit signalisiert, mal väterlich mahnt, oder auch ruppig werden kann („Dann isch over“). Das dient dem eigentlichen Zweck der Übung, nämlich Ruhe an der Heimatfront herzustellen. Die deutsche Bevölkerung und vor allem die CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll im Glauben bestärkt werden, dass der Heilige Gral für die Griechen auch wirklich unerreichbar bleibt, es sei denn, sie haben auch wirklich ausreichend dafür gelitten. Letzteres kann vor allem der IWF garantieren, seine Position zu den Schulden sollte er aber besser daheim lassen.

Vor den anstehenden Bundestagswahlen ist diese Debatte eher störend, daher wird auch Ende Dezember wieder auf Zeit gespielt. In der Eurogruppen-Sitzung vom 5. Dezember 2016 kamen die Euro-Finanzminister zu dem Schluss, dass Athen einen wichtigen Teil der Auflagen erfüllt habe, natürlich aber noch nacharbeiten müsse. Erstmals wurden kurzfristige Schuldenrestrukturierungen in Aussicht gestellt, durch Zinsfestschreibungen und Laufzeitverlängerungen. Gleichzeitig wurde aber am Ziel festgehalten, dass Athen ab 2018 einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent erzielen müsse.

Der IWF und die Euro-Finanzminister zanken sich weiter darüber, wie es mit dem Griechenland-Programm weitergehen soll.

Das bedeutet, dass Tspiras mit einem Finger den Heiligen Gral zwar berühren darf, ihm aber gleichzeitig massive Fußangeln in den Weg geworfen und weitere Mutproben abverlangt werden. Die Gefahr, darüber zu stolpern und der sechste griechische Ministerpräsident zu werden, der auf der Suche nach dem Heiligen Gral stürzte, ist real. Der IWF und die Euro-Finanzminister zanken sich derweil weiter darüber, wie es mit dem Griechenland-Programm weitergehen soll. Es bleibt ungewiss, ob der Währungsfonds weiterhin Teil des Krisenmanagements bleiben wird, oder sich – auch auf Betreiben einer neuen Trump-Regierung – bald daraus zurückzieht. Was mit Griechenlands Wirtschaft passiert, ob sich hier vielleicht irgendwann ein Aufschwung einstellt, bleibt weiterhin offen.

Für Griechenland heißt dies, dass die Spannung bleibt – ein Umstand, den man unbedingt vermeiden wollte. Denn im Gegensatz zu Monty Python ist das Ziel der Regierung in Athen, dass das Unterhaltungsprogramm ein Ende nimmt und in den kommenden Jahren Langeweile einkehrt: ein Ende der Ungewissheiten und Drahtseilakte, Ruhe an den Märkten, Stabilität und Erwartungssicherheit. Das wäre mal was Neues nach sieben Jahren Achterbahnfahrt für die Bürger des Landes und möglicherweise der Anfang vom Ende der Dauerkrise. Aber dazu muss der Ritter vom Ni seine ewige Leier auch mal ändern.

Christos Katsioulis ist seit 2012 Leiter des Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Athen. Zuvor war er fünf Jahre als Experte für Außen- und Sicherheitspolitik in der Internationalen Politikanalyse der FES tätig. Er studierte Politikwissenschaft und Geschichte an den Universitäten Trier und Thessaloniki.

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