Deutsche Redewendung: „Sicher wie in Abrahams Schoß“
von Sepp Spiegl
Die deutsche Redewendung „Sicher wie in Abrahams Schoß“ ist eine alte und tief in der christlich-jüdischen Tradition verwurzelte Metapher, die für ein Gefühl der Geborgenheit, Sicherheit und des Wohlbefindens steht. Sie wird oft verwendet, um eine Situation zu beschreiben, in der man sich vollkommen geschützt und behütet fühlt. Doch woher stammt dieser Ausdruck, und wie wird er im Alltag gebraucht?
Herkunft der Redewendung
Die Redewendung „Sicher wie in Abrahams Schoß“ hat ihre Wurzeln in der Bibel und ist eng mit der jüdisch-christlichen Tradition verbunden. Um die Bedeutung und die Entstehung dieser Redewendung besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit dem biblischen Kontext und der kulturellen Symbolik des Begriffs „Abrahams Schoß“ zu beschäftigen. Die Redewendung findet ihren Ursprung im Neuen Testament der Bibel, genauer im Evangelium nach Lukas (Lukas 16,19-31). Dort wird das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus erzählt. Lazarus, ein armer und kranker Mann, stirbt und wird von Engeln in „Abrahams Schoß“ getragen, wo er Trost und Frieden findet. Im Gegensatz dazu landet der reiche Mann, der Lazarus zu Lebzeiten verachtete, in der Qual der Hölle.
In Lukas 16,22 heißt es:
„Es geschah aber, dass der Arme starb und von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wurde; der Reiche aber starb auch und wurde begraben.“
Dieser Ausdruck „Abrahams Schoß“ steht in diesem Gleichnis metaphorisch für das Paradies oder einen Ort, an dem die Gerechten nach ihrem Tod Ruhe und Geborgenheit finden. Abraham, als Stammvater des Volkes Israel und Symbolfigur des Glaubens, gilt hier als Gastgeber und Beschützer der Seelen, die Gott treu waren.
Symbolik in der jüdisch-christlichen Tradition
Die Vorstellung von „Abrahams Schoß“ als Ort der Geborgenheit und Sicherheit hat ihre Wurzeln in der jüdischen Tradition. Abraham gilt als „Vater der Gläubigen“ (vgl. Römer 4,16), und seine Nähe steht für ein tiefes Vertrauen und eine enge Beziehung zu Gott. Im Alten Testament ist der Schoß ein häufig verwendetes Bild, das Schutz, Nähe und mütterliche Fürsorge symbolisiert. In der orientalischen Kultur der damaligen Zeit war es üblich, dass man beim Essen oder Ruhen an der Brust oder im Schoß einer hochgestellten Persönlichkeit Platz nahm, um Nähe und Ehre zu erfahren. Im Falle von Abraham bedeutet das Bild des „Schoßes“ eine innige Gemeinschaft mit dem Stammvater und die damit verbundene Sicherheit. Im Christentum wurde die Vorstellung von „Abrahams Schoß“ weiterentwickelt. Vor allem in der mittelalterlichen Theologie und Kunst wurde dieser Ort oft als eine Art Vorstufe des Himmels betrachtet – ein Paradies für die Seelen der Gerechten, die auf die Auferstehung warteten. In der katholischen Lehre wurde dies später mit der Vorstellung des „Limbus“ (dem Aufenthaltsort der ungetauften Gerechten) in Verbindung gebracht. In der christlichen Kunst des Mittelalters wurde „Abrahams Schoß“ oft als ein liebevoller, sicherer Ort dargestellt, an dem Abraham die Seelen der Gerechten in seinen Armen oder auf seinem Schoß wiegt. Dieses Bild verstärkte die Bedeutung der Redewendung als Metapher für Trost, Geborgenheit und Schutz. Während der religiöse Kontext der Redewendung in der Moderne oft in den Hintergrund getreten ist, blieb das Bild von „Abrahams Schoß“ als Synonym für einen Zustand der vollkommenen Sicherheit und Geborgenheit erhalten. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Redewendung in der deutschen Sprache verankert und wird heute auch außerhalb religiöser Zusammenhänge verwendet, um ein Gefühl von Komfort und Wohlbehagen auszudrücken.
Die Redewendung „Sicher wie in Abrahams Schoß“ spiegelt die tiefe Verwurzelung biblischer Bilder in der deutschen Sprache wieder. Sie zeigt, wie religiöse Konzepte und Geschichten in den Sprachgebrauch einfließen und ihre Bedeutung im kulturellen Gedächtnis bewahren. Auch wenn viele Menschen den biblischen Ursprung heute nicht mehr kennen, bleibt die Aussagekraft der Metapher durch die Jahrhunderte hindurch lebendig.
Bedeutung der Redewendung
Die Redewendung ist metaphorisch, was bedeutet, dass sie nicht wörtlich verstanden wird. Das Bild des „Schoßes“ symbolisiert in vielen Kulturen Nähe, Wärme und Fürsorge. Der „Schoß“ ist hier ein Ort, an dem man zur Ruhe kommt, sich entspannen kann und Schutz vor äußeren Einflüssen genießt. In der biblischen Erzählung wird dieser Schutz durch die Nähe zu Abraham verstärkt. Abraham steht hier nicht nur für die väterliche Fürsorge, sondern auch für den Zugang zu einem göttlichen Trost, der in der jenseitigen Welt auf die Gerechten wartet. In der modernen Nutzung wird dieser religiöse Kontext zwar nicht immer mitgedacht, doch das Bild der vollkommenen Sicherheit bleibt bestehen.
Unterschiedliche Nuancen der Sicherheit
- Geborgenheit im Heimischen: Oft wird die Redewendung verwendet, um das Wohlbefinden in vertrauten oder komfortablen Umgebungen zu beschreiben, etwa zuhause oder an einem geschützten Ort.
- Beispiel: „In meinem Lieblingssessel fühle ich mich sicher wie in Abrahams Schoß.“
- Sicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen: Sie kann auch auf das Vertrauen in Menschen angewendet werden, die einem Schutz und Trost bieten, wie Eltern, Freunde oder Partner.
- Beispiel: „Bei meiner Großmutter habe ich mich immer sicher wie in Abrahams Schoß gefühlt.“
- Emotionale oder spirituelle Ruhe: Die Redewendung kann eine tiefe innere Gelassenheit beschreiben, die aus einem Gefühl von Sicherheit oder Vertrauen resultiert, etwa durch den Glauben an Gott oder die Zuversicht, dass alles gut wird.
- Beispiel: „Nach dem Gebet fühlte ich mich sicher wie in Abrahams Schoß.“
Vergleich mit anderen Redewendungen
„Sicher wie in Abrahams Schoß“ hat eine eng verwandte Bedeutung mit anderen Redewendungen, die Schutz und Geborgenheit ausdrücken. Dennoch hat sie eine spezifische, fast überirdische Note:
- „Wie unter einer Käseglocke“: Diese Redewendung beschreibt ebenfalls Schutz, jedoch oft mit einem übertriebenen oder isolierenden Unterton.
- „In guten Händen sein“: Diese Aussage hebt eher die menschliche Fürsorge hervor.
- „Wie auf Wolke sieben“: Diese Redewendung betont eher die Glückseligkeit und das Wohlbefinden, weniger den Schutz.
Moderne Bedeutung und universelle Anwendbarkeit
Obwohl die religiöse Bedeutung der Redewendung in der heutigen Zeit oft nicht mehr bekannt ist, bleibt das Bild einer perfekten Sicherheit kraftvoll und verständlich. Es ist ein universelles Bedürfnis des Menschen, sich sicher und geborgen zu fühlen. Die Redewendung kann in vielen Bereichen des Lebens angewendet werden, zum Beispiel:
- Im Alltag: Für Orte oder Situationen, die Schutz und Komfort bieten, wie ein gemütliches Zuhause oder ein vertrautes Umfeld.
- Im Marketing: Hotels, Wellnessangebote oder andere Dienstleistungen, die für Komfort und Sicherheit stehen, greifen das Bild von „Abrahams Schoß“ gerne auf.
- In der Psychologie: Die Redewendung könnte verwendet werden, um die Sehnsucht nach einem sicheren Raum in emotional belastenden Zeiten zu beschreiben.
Vergleich von „Sicher wie in Abrahams Schoß“ mit ausländischen Redewendungen
Die Redewendung „Sicher wie in Abrahams Schoß“ ist ein Ausdruck für Geborgenheit, Sicherheit und Schutz. Dieses Konzept ist universell und findet sich in vielen Kulturen wieder, oft in Form von Redewendungen, die ähnliche Gefühle ausdrücken. Zwar unterscheidet sich die bildliche Darstellung, doch der Kern – das Streben nach einem sicheren und behüteten Zustand – bleibt gleich.
1. Englisch: „Safe as houses“
- Bedeutung: Diese Redewendung beschreibt absolute Sicherheit und Zuverlässigkeit. Der Ausdruck entstand im 19. Jahrhundert in England, als Immobilien als die sicherste Investition galten.
- Unterschied: Während „Sicher wie in Abrahams Schoß“ eine spirituelle oder emotionale Komponente enthält, ist „Safe as houses“ pragmatisch und weltlich.
- Beispiel:
- „After locking the doors, I felt safe as houses.“
- Vergleichbar: „Nachdem die Türen abgeschlossen waren, fühlte ich mich sicher wie in Abrahams Schoß.“
2. Französisch: „Être bien au chaud“ (Wörtlich: „Schön warm sein“)
- Bedeutung: Diese Redewendung wird verwendet, um ein Gefühl von Geborgenheit und Komfort zu beschreiben, oft in Bezug auf Wärme und Schutz vor der Kälte.
- Unterschied: Während „Abrahams Schoß“ ein umfassenderes Gefühl von Sicherheit und Frieden vermittelt, konzentriert sich die französische Redewendung mehr auf physisches Wohlbefinden.
- Beispiel:
- „Avec une tasse de thé et une couverture, je suis bien au chaud.“
- Vergleichbar: „Mit einer Tasse Tee und einer Decke fühle ich mich sicher wie in Abrahams Schoß.“
3. Spanisch: „Dormir como un lirón“ (Wörtlich: „Schlafen wie ein Siebenschläfer“)
- Bedeutung: Diese Redewendung beschreibt einen tiefen und sicheren Schlaf, bei dem man völlig entspannt ist. Sie betont die Ruhe, die mit Sicherheit und Wohlbefinden einhergeht.
- Unterschied: „Sicher wie in Abrahams Schoß“ bezieht sich auf ein allgemeines Sicherheitsgefühl, während die spanische Redewendung sich speziell auf den Zustand des Schlafens konzentriert.
- Beispiel:
- „Después de ese día tan largo, dormí como un lirón.“
- Vergleichbar: „Nach diesem langen Tag habe ich geschlafen wie in Abrahams Schoß.“
4. Italienisch: „Essere in una botte di ferro“ (Wörtlich: „In einem Eisenfass sein“)
- Bedeutung: Diese Redewendung beschreibt einen Zustand völliger Sicherheit und Unverletzlichkeit, wie jemand, der in einem massiven Eisenfass geschützt ist.
- Unterschied: Während „Abrahams Schoß“ ein weiches, tröstendes Bild verwendet, ist das „Eisenfass“ ein Symbol für undurchdringliche, fast militärische Sicherheit.
- Beispiel:
- „Con questi contratti siamo in una botte di ferro.“
- Vergleichbar: „Mit diesen Verträgen sind wir sicher wie in Abrahams Schoß.“
5. Arabisch: „في عين الله“ („Fi ain Allah“ – Wörtlich: „In Gottes Augen“)
- Bedeutung: Diese Redewendung beschreibt das Vertrauen, unter Gottes Schutz zu stehen. Sie wird oft in gefährlichen oder unsicheren Situationen verwendet, um Trost und Sicherheit im Glauben auszudrücken.
- Unterschied: Die arabische Redewendung hat eine stärkere spirituelle und religiöse Betonung als „Sicher wie in Abrahams Schoß“.
- Beispiel:
- „لا تقلق، نحن في عين الله.“ („Laa taqlaq, nahnu fi ain Allah.“)
- Vergleichbar: „Mach dir keine Sorgen, wir sind sicher wie in Abrahams Schoß.“
6. Russisch: „Как за каменной стеной“ (Wörtlich: „Wie hinter einer Steinmauer“)
- Bedeutung: Diese Redewendung beschreibt ein Gefühl von absolutem Schutz und Sicherheit, ähnlich wie hinter einer uneinnehmbaren Mauer. Sie wird oft verwendet, um das Gefühl auszudrücken, bei einer starken Person oder Institution gut aufgehoben zu sein.
- Unterschied: Während „Sicher wie in Abrahams Schoß“ oft mit Wärme und Trost assoziiert wird, legt die russische Redewendung mehr Wert auf den Aspekt des physischen Schutzes.
- Beispiel:
- „Рядом с ним я чувствую себя как за каменной стеной.“
- Vergleichbar: „Bei ihm fühle ich mich sicher wie in Abrahams Schoß.“
7. Chinesisch: „高枕无忧“ („Gāo zhěn wú yōu“ – Wörtlich: „Mit einem hohen Kissen ohne Sorgen schlafen“)
- Bedeutung: Diese Redewendung beschreibt einen Zustand der Sorglosigkeit und Entspannung, bei dem man ruhig schlafen kann, ohne sich Sorgen machen zu müssen.
- Unterschied: Ähnlich wie „Sicher wie in Abrahams Schoß“ drückt die chinesische Redewendung Sicherheit aus, betont aber den sorglosen Schlaf als Symbol für diesen Zustand.
- Beispiel:
- „完成了所有工作,我可以高枕无忧了。“
- Vergleichbar: „Nachdem ich alle Arbeit erledigt habe, fühle ich mich sicher wie in Abrahams Schoß.“
Die Redewendung „Sicher wie in Abrahams Schoß“ hat zwar spezifisch biblische Wurzeln, spiegelt jedoch ein universelles Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit wider. Andere Kulturen drücken dieses Gefühl oft mit Bildern aus, die auf alltäglichen Erfahrungen beruhen (z. B. Wärme, Schlaf, Schutzmauern) oder in ihrer eigenen religiösen Tradition verankert sind. Die Unterschiede liegen meist in der bildlichen Darstellung, während der Kern – ein Zustand von Trost, Schutz und Frieden – universell bleibt.
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