Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Paul Harding: Sein Garten Eden

Paul Harding © Sam Harding

Der Autor hat sich ein historisches Thema gewählt und sich von wenigen Dokumenten eines wahren Falles inspirieren lassen. Schauplatz ist eine Insel vor der Küste von Maine, auf der sich eine ausgefallene Gruppe von Menschen im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts niedergelassen hat. Der erste, der landete, pflanzte einen Garten voller Obstbäume und empfand es als sein Paradies. Die nächsten Siedler sind Aussteiger, Ausgestoßene, Geflüchtete und sonstwie gescheiterte Existenzen, die sich zurückziehen, nachdem sie von der Gesellschaft diskriminiert wurden bzw. keinen Platz in ihr gefunden haben. Auf Apple Island spielt es keine Rolle, welche Schattierung die Hautfarbe hat, ob man über Geld verfügt oder Gönner, keiner wird nach seiner Vergangenheit gefragt, sondern so akzeptiert, wie er ist.

Die wenigen Bewohner, von denen nur einzelne die Insel für kleinere Gelegenheitsarbeiten oder Einkäufe verlassen, leben weitgehend autark in primitivsten Verhältnissen, fischen, vermehren sich durch Inzucht, betreiben Blutschande, begehen auch einen Mord, was aber wenig kümmert. Nur wenige verschwinden wieder. Eines Tages 1912 taucht ein Pfarrer auf und nimmt sich ausgerechnet die Bewohner als Sozialprojekt für seine Ferien vor, will, seine eigenen Vorurteile bekämpfend und erschüttert von den vorgefundenen Verhältnissen, unterrichten, helfen, fördern, baut eine Schule und erreicht damit das Gegenteil. Selbst Ethan, ein künstlerisch begabter Jugendlicher, den er bei Freunden auf dem Festland unterbringt, um ihm später ein Kunststudium zu ermöglichen, verspielt seine Chance.

Die Behörden werden durch den Pfarrer auf Apple Island aufmerksam. Wenn Schwarze und Weiße friedlich zusammenleben, kann es sich ihrer Meinung nach nur um mehr oder weniger verwahrloste Schwachsinnige handeln – kurzum ein Schandfleck des Bundesstaates. Sie räumen die Insel aus Gründen „der körperlichen wie der geistigen“ Hygiene, brennen die Hütten nieder, graben die Toten aus und überlassen die Menschen auf dem Festland ihrem Schicksal.

Harding ergeht sich ausführlich in der Schilderung der fiktiven Lebensumstände jedes Bewohners, um zu zeigen, dass ein Zusammenleben ohne Rassismus möglich ist, und versucht ein Gefühl zu vermitteln, wie es sich unter ständiger Bedrohung leben lässt.

 

Paul Harding wurde 1967 in Wenham, Massachusetts, geboren. Er studierte Englische Literatur, war Schlagzeuger in einer Rockband und machte den Master of Fine Arts am berühmten Iowa Writers‘ Workshop. Für seinen ersten Roman »Tinkers« wurde er u.a. mit dem Pulitzer-Preis und dem PEN/Robert W. Bingham Prize ausgezeichnet. »Sein Garten Eden« war 2023 sowohl für den Booker Prize als auch für den National Book Award nominiert. Harding unterrichtet Creative Writing an der Stony Brook University und lebt mit seiner Familie auf Long Island.

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Ausgabe: Hardcover,
Erschienen am:28.08.2024
Originaltitel:This other Eden
Übersetzung:Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz
ISBN:978-3-630-87378-7
Originalverlag:W. W. Norton & Company

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