von Sepp Spiegl

Die deutsche Redewendung „Jemandem die Daumen drücken“ ist weit verbreitet und wird oft verwendet, um auszudrücken, dass man jemandem Glück wünscht. Aber woher kommt diese Redewendung, was bedeutet sie genau, und wie wird sie im Alltag gebraucht? Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Facetten dieser beliebten Redensart.

Die Bedeutung der Redewendung

© carlos pereyra auf Pixabay.com

„Jemandem die Daumen drücken“ bedeutet, jemandem Glück oder Erfolg bei einer Sache zu wünschen. Es drückt eine unterstützende Haltung aus, ohne aktiv eingreifen zu können. Oft wird die Redewendung in Situationen benutzt, in denen man auf ein gutes Ergebnis hofft, wie bei Prüfungen, Sportwettkämpfen, Vorstellungsgesprächen oder anderen Herausforderungen des Alltags.

Beispiel:

  • „Ich drücke dir die Daumen für deine Matheprüfung!“
  • „Wir drücken euch die Daumen für das Fußballspiel!“

Die Herkunft

Um die Wurzeln der Redewendung „Jemandem die Daumen drücken“ vollständig zu verstehen, ist ein tieferer Blick in die historischen und kulturellen Glaubensvorstellungen notwendig, die sich um den Daumen ranken. Diese Redensart hat ihre Ursprünge in jahrhundertealten abergläubischen Praktiken und magischen Vorstellungen, die den Daumen als Symbolträger für Schutz, Kraft und Glück betrachteten. In vielen alten Kulturen wurde der Daumen als ein besonderer Finger betrachtet, der eng mit magischen und spirituellen Kräften verbunden war. Diese Vorstellungen haben sich über die Jahrhunderte gewandelt, doch die ursprünglichen Glaubensansätze lassen sich in mehreren Traditionen erkennen:

  1. Schutz vor bösen Geistern
    In vorchristlicher Zeit und besonders in der Antike herrschte der Glaube vor, dass der Mensch durch böse Geister oder Dämonen bedroht sei. Um sich davor zu schützen, wurden verschiedene Gesten und Rituale entwickelt. Der Daumen spielte dabei eine wichtige Rolle. Wenn Menschen ihre Fäuste ballten und den Daumen unter die übrigen Finger schoben, symbolisierte dies den Schutz des „schwächsten“ Fingers. Man glaubte, dass diese Geste das Böse fernhalten und somit die eigene Sicherheit oder die eines anderen gewährleisten könne.
  2. Magische Kraft des Daumens
    Der Daumen galt in vielen Kulturen als Finger der Stärke und Entscheidungsgewalt. Bereits die Römer sahen den Daumen als Symbol für Macht: In der Arena der Gladiatoren wurde mit dem Daumen nach oben oder unten entschieden, ob ein Kämpfer verschont oder getötet werden sollte. Ein versteckter oder eingezogener Daumen könnte damals ein stiller Ausdruck des Schutzes gewesen sein, ähnlich wie das spätere „Daumen drücken“.
  3. Verborgene Wünsche und Hoffnung
    Das Verbergen des Daumens symbolisierte nicht nur Schutz, sondern auch die heimliche Übertragung positiver Energien. Man glaubte, dass durch das „Einschließen“ des Daumens in die Faust ein innerer Wunsch oder eine Bitte gestärkt und an das Schicksal übergeben werde. Auf diese Weise wurde der Akt des Daumendrückens zu einer stillen, aber kraftvollen Unterstützung für eine andere Person.

Daumen und Glaubenspraktiken im Mittelalter

Im Mittelalter war der Volksglaube stark von Aberglauben geprägt. Die Menschen sahen in kleinen Gesten und Ritualen Möglichkeiten, das Schicksal zu beeinflussen. Der Daumen wurde in dieser Zeit oft als Träger von Heilkräften und als Schutz vor Hexerei betrachtet.

  • Amulette und Rituale:
    Manche Menschen trugen kleine Amulette oder Talismane, die sie mit ihrem Daumen berührten, um Unglück abzuwenden.
  • Daumen in Gebeten:
    In religiösen Gebeten wurde der Daumen gelegentlich bewusst berührt oder in einer Faust verborgen gehalten, um die spirituelle Verbindung zu verstärken. Dies zeigt, wie tief die symbolische Bedeutung dieses Fingers in den Alltag eingebettet war.

Der Daumen in der römischen Gladiatorenkultur

Eine der bekanntesten Theorien zur Herkunft des „Daumen Drückens“ verweist auf das antike Rom, wo der Daumen eine zentrale Rolle in der Kommunikation spielte. Bei Gladiatorenkämpfen entschied das Publikum oft über das Schicksal eines unterlegenen Kämpfers:

  • Pollice verso (Daumen nach unten): Dies galt laut Überlieferungen als Zeichen, den Kämpfer zu töten.
  • Pollice presso oder compressus (Daumen versteckt oder eingezogen): Ein versteckter Daumen soll Gnade signalisiert haben.

Auch wenn die genauen Bedeutungen dieser Gesten unter Historikern umstritten sind, zeigt dies, dass der Daumen als Werkzeug der Schicksalsentscheidung wahrgenommen wurde – ein Konzept, das sich in der Redewendung des „Daumen Drückens“ widerspiegeln könnte.

Einfluss des Christentums

Mit der Ausbreitung des Christentums verschmolzen viele der alten abergläubischen Bräuche mit neuen religiösen Vorstellungen. Rituale, die zuvor auf heidnische Schutzzauber zurückgingen, wurden in den christlichen Glauben integriert. Das Drücken oder Schließen der Hände beim Gebet kann in gewisser Weise als Nachklang der alten Daumengesten interpretiert werden. Der Daumen als Symbol der Stärke wurde jedoch in den Hintergrund gedrängt, da der Fokus zunehmend auf die allgemeine Geste des Betens gelegt wurde.

Ein moderner Aberglaube mit alten Wurzeln

Auch wenn der Aberglaube in der modernen Gesellschaft an Bedeutung verloren hat, zeigt sich in der Redewendung „jemandem die Daumen drücken“ eine tiefe kulturelle Verwurzelung. Sie steht heute als ein symbolisches Ritual, das Empathie und Verbundenheit ausdrückt, auch wenn die ursprüngliche magische Bedeutung in Vergessenheit geraten ist.

Vergleich mit anderen Kulturen

Interessant ist, dass ähnliche Gesten und Redewendungen in anderen Sprachen existieren, oft jedoch mit einer anderen Geste:

  • Englisch: „Fingers crossed“ (Die Finger kreuzen) – Diese Geste hat ebenfalls einen abergläubischen Ursprung und soll Glück bringen.
  • Französisch: „Croiser les doigts“ (Die Finger kreuzen) – Auch in Frankreich ist das Fingerkreuzen üblich.
  • Spanisch: „Cruzar los dedos“ – Entspricht dem englischen Ausdruck.

Während in Deutschland der Daumen symbolisch „gedrückt“ wird, spielen in anderen Kulturen oft die Finger eine Rolle. Dies zeigt, wie sich ähnliche Bedeutungen in verschiedenen kulturellen Kontexten unterschiedlich ausdrücken können.

Gebrauch und Anwendung im Alltag

Die Redewendung wird heute in erster Linie mündlich gebraucht, findet sich aber auch in schriftlicher Form, insbesondere in persönlichen Nachrichten oder in den sozialen Medien. Sie wird verwendet, um Unterstützung und Sympathie auszudrücken, oft in Kombination mit anderen Glückwunschformeln.

Beispiele:

  • „Ich drücke dir ganz fest die Daumen für dein Vorstellungsgespräch!“
  • „Die ganze Familie drückt dir die Daumen für die Prüfung morgen.“
  • „Wir drücken euch die Daumen, dass ihr schönes Wetter für die Hochzeit habt!“

Manchmal wird die Geste auch physisch nachgeahmt: Menschen ballen die Fäuste und drücken dabei tatsächlich ihre Daumen ein, um ihre Unterstützung visuell zu verdeutlichen.

Die Redewendung „Jemandem die Daumen drücken“ ist ein fester Bestandteil der deutschen Sprache und symbolisiert auf schöne Weise den Wunsch nach Glück und Erfolg für andere. Ihre Wurzeln liegen vermutlich in alten, abergläubischen Bräuchen, haben sich jedoch in der modernen Sprache zu einem positiven und unterstützenden Ausdruck entwickelt. Ob bei Prüfungen, sportlichen Herausforderungen oder anderen wichtigen Ereignissen – mit dem Daumendrücken zeigt man, dass man an jemanden denkt und das Beste für ihn oder sie hofft.

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