„Zwischen Hühnerstreicheln und Chicken-Nugget“
Von Gisbert Kuhn

Die beiden kleinen, gepunkteten Wollknäuel da unten sind wirklich unermüdlich. Rennen, springen, balgen, Versteck spielen. Allenfalls ein oder zwei Sekunden Innehalten. Dann geht es von neuem los – rennen, springen, balgen… Die Zuschauer sind hingerissen. Es ist aber auch zu niedlich, wie die flauschigen Wirbelwinde während kurzer Spielpausen neugierig ihre Umgebung betrachten und dann wieder tolpatschig übereinander kugeln. Wie kleine Katzen. Nur ein bisschen größer. Ungefähr so, wie ausgewachsene Hauskatzen. Und tatsächlich handelt es sich bei den niedlichen Hopsern ja auch um Katzen. Zumindest der Artenbestimmung nach. Die zwei Tierchen sind nämlich Pumas.
Die jüngste Attraktion
Zurzeit freilich blicken „Aslan“ und „Newa“ auf ein Leben von gerade einmal 10 Wochen zurück. Aber schon bald werden sie deutlich größer sein und sich von ihren Pflegern wohl kaum noch so knudeln lassen. Pumas sind Raubkatzen, die viertgrößte Art der Welt. Sie erreichen in ausgewachsenem Zustand bis zu 90 cm Schulterhöhe, nicht selten eine Länge von mehr als 1,5 Meter und über 60 Kilo Körpergewicht. Umso mehr, scheint es, genießen Remo Müller und seine Helfer die kurze Baby-Zeit mit den noch täppischen Fell-Bäuschen auf vier Beinen. Kein Wunder, sind doch die Puma-Babys die – durchaus im Wortsinne – jüngste Attraktion des erst 2015 eröffneten Tier- und Erlebnisparks Bell im Hunsrück. Bell, wo…?

Der heute 38-Jährige aus St. Gallen ist Mitbegründer, Ideengeber und so etwas wie der Chef eines für unkundige Besucher ebenso überraschenden wie interessanten Unternehmens sozusagen in der Mitte von Nirgendwo. Der gelernte Koch (2001 immerhin „Jungkoch des Jahres“ in der Eidgenossenschaft) machte später noch eine Ausbildung als Tierpfleger und arbeitete danach zehn Jahre lang im Zoo der ost-schweizerischen Metropole, vor allem mit Tigern. In jener Zeit lernte er seine Frau kennen – eine Deutsche, die in der Schweiz eine Hundeschule betrieb. Und beide träumten schon frühzeitig davon, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Selbstverständlich etwas mit Tieren. Und tatsächlich ergab sich die Gelegenheit, einen bereits bestehenden Vergnügungspark zu kaufen und nach ihren Vorstellungen auf Vordermann zu bringen. Gelegen zwar in der geografischen Einöde auf den Höhen zwischen Mosel und Rhein, dafür aber offensichtlich bezahlbar und mit 90 000 Quadratmetern Land.
Alle helfen mit

Das war 2013, und nach nur zwei Jahren Umbau und Vorbereitung konnte das Projekt Tier-Erlebnispark Bell starten. Als Familienbetrieb. Mit dem jungen Paar und den Eltern der Frau. Die waren so angetan von dem Enthusiasmus der Jungen, dass sie sogar ihr Haus im Sauerland verkauften, um finanziell zu helfen. Mittlerweile sind rund 40 000 Quadratmeter in Gebrauch, d. h. mit großen und artgerechten Gehegen versehen, in denen sich rund 150 Tiere aus etwa 40 verschiedenen Arten tummeln. Wobei, ohne Frage, die drei mächtigen Sibirien-Tiger die Rolle der „Stars“ einnehmen. Aber auch die ursprünglich in Madagaskar beheimateten Kattas mit ihrem gestreiften Fell, den hellen Augen und dem langen Ringelschwanz sind ein Besuchermagnet, wenn sie während der Sommermonate im Freien durch die Bäume turnen. Beide Gehege gehören zu den größten Freilaufflächen für deren Bewohner in Deutschland.
Und ähnlich komfortabel sollen es in Zukunft auch die Pumas bekommen. Seit ihrer dritten Lebenswoche mussten „Aslan“ und „Newa“ mit der Flasche aufgezogen werden, weil sie aus einem „Fünfer-Wurf“ stammten – also noch drei weitere Geschwister haben – und die Mutter sie nicht auch noch versorgen konnte. Deshalb kam die Anfrage in Bell: „Könnt Ihr sie nicht aufnehmen“. Doch, das konnte man. Genauso wie in vielen anderen Fällen auch. Nahezu sämtliche Tiere in der Anlage auf dem Hunsrück stammen nämlich aus anderen Parks sowie aus Tierheimen oder Auffangstationen. „Sie glauben gar nicht“, sagt Remo Müller, „woher und wie viele Anfragen und Angebote wir im Verlauf eines Jahres bekommen“. Es würden jedoch nur solche Tiere angenommen, „die wir auch bewältigen können“.
Jeden Tag wird trainiert

Mit „bewältigen“ meint der Tierparkchef ein zentrales Anliegen des Unternehmens: Alle Tiere sollen nicht nur artgerecht untergebracht, sondern – mindestens genauso wichtig – sinnvoll beschäftigt werden; „trainiert“, wie es im Fachjargon heißt. Die Arbeit mit den Tigern, beispielsweise, findet immer gegen 15,30 Uhr statt. Entsprechend kümmern sich die Pfleger auch um die übrigen Tiere. Wer wann und wo dran ist, das können die Besucher an verschiedenen Stellen im Park an Schwarzen Brettern ablesen.
Im Laufe der Zeit wurde der Tier-Erlebnispark Bell auch von Schulen als lohnendes Ziel entdeckt und von Lehrern nicht selten zum Beispiel in den Biologie-Unterricht mit eingebaut. „So erfahren Schüler etwa beim Streicheln eines Huhnes, woher das Chicken-Nugget bei MacDonald wirklich kommt“, meint Müller schmunzelnd, um dann gleich fortzufahren: „Vielleicht führen solche Erlebnisse bei Jugendlichen ja auch zu einem intensiveren Nachdenken über einen sinnvolleren Ge- und Verbrauch von Lebensmitteln“. Dabei stehen kulinarische Genüsse durchaus ebenfalls auf der Angebotsliste der Parkbetreiber. Schließlich will der Boss nicht umsonst Koch gelernt haben.
Variete und Schlittenhunde

Wer nach Staunen und Tierestreicheln also Hunger verspürt, findet im Restaurant des Tier-Erlebnisparks mit Sicherheit ein passendes Gericht. Bemerkenswerter ist freilich ein spezielles Angebot für die Wintermonate, das in diesem Jahr bereits zum dritten Mal über die Bühne gehen wird. Und das ist durchaus buchstäblich gemeint. Vom 23. November bis zum 12. Januar wird Besuchern in einem Zelt ein „Dinner-Erlebnis-Variete Bell“ unter dem Titel „Nostalgia“ geboten. Sozusagen nach dem Motto „Küche trifft Kunst“, oder umgekehrt. Man mag es glauben oder nicht – es gelingt den Park-Betreibern tatsächlich immer von neuem, erstklassige Artisten, Jongleure, Zauberer und Sänger in die Hunsrück-Einöde zu holen. Warum? Weil die Aufführungen stets ausverkauft sind. Und als sozusagen zweiten Höhepunkt erwartet den Variete-Gast ein Vier-Gang-Menü.
Wie wäre es mit, im Übrigen, mit einer Schlittenfahrt? Gezogen von „hauseigenen“ Huskies? Das funktioniert in Bell keineswegs nur, wenn Schnee gefallen sein sollte, sondern genauso gut bei unbedecktem Boden. Dann nämlich werden die lauffreudigen Vierbeiner einfach vor so genannte „Quads“ gespannt, denen der Motor ausgebaut wurde. Also Motorräder auf vier Rädern, quasi. Zusammengefasst: Der Tier-Erlebnispark Bell gehört sicher (noch) nicht zu den bekanntesten Örtlichkeiten dieser Art in Deutschland. Vielleicht gerade deswegen stellt er eine besondere Attraktion dar und ist einen Besuch wert.
Titelfoto: Simone Schmidt
Infos:
Tier-Erlebnispark Bell
Markt 1
56288 Bell (Hunsrück)
Tel: 06762 8035
Internet: www.tier-erlebnisparkbell.de
Eintr. Preise:
Kinder u. 3 Jahren frei
Ki. v. 3 – 6 J. 5,50 €
Erw. 7,50 €
Gruppenpreise am 15 Pers.:
Erw. ab 16 Ja. 6,50 €
Ki. v. 3 – 16 J. 4,50 €
Angebot:
Erlebnisorientierter Unterricht
Anfahrt über rechte Moselstraße
Von der B 9 am Rhein
oder von der A 61.
Genauere Informationen über Internet erhältlich.