“Wolfskinder”
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Vera Buck: Wolfskinder

Vera Buck legt ihr Thrillerdebüt vor und wählt als Kulisse ein einsam gelegenes Bergdorf. Reicht das allein, um Spannung hervorzurufen? Wir erinnern uns an Thomas Willmann, Das finstere Tal. Die Gruseltrigger werden dort wesentlich stärker gesetzt und mit Hilfe eines, der Heimatliteratur entlehnten Sprachstils verstärkt. Hier wie dort geht es um Macht Einzelner über eine Gemeinschaft.
„Wolfskinder“ wird aus der Sicht unterschiedlicher Personen im Präsens erzählt. Der Einstieg verwirrt und wirft viele Fragen auf. Gewalt, Klaustrophobie, Verzweiflung werden angedeutet, bevor der Leser die Personen und die Szenerie kennen gelernt hat. Sehr langsam kristallisieren sich das Setting und die Sprecher heraus. Zwei Gegensätze prallen aufeinander: die Bevölkerung von Jakobsleiter, einem einsamen Bergdorf, und das Taldorf, dessen Bürgermeister aus unerfindlichen Gründen nicht nur eine schützende Hand über die Bergbewohner hält, sondern offensichtlich mehr weiß als er zugibt. Nur zwei Jugendliche, Rebekka und Jesse, haben Kontakt zur Außenwelt, gehen im Tal zur Schule und erledigen Einkäufe.
Rebekka ist verschwunden, nachdem sie zuletzt in der Schule gemobbt wurde. Kurz vorher hat ein Techniker im Bergdorf eine Antenne installiert. Ist sie mit ihm freiwillig in die Stadt? Für Smilla, Volontärin bei der Zeitung, steht Rebekka am Ende einer Reihe, im Laufe der letzten zehn Jahre spurlos verschwundener Frauen, darunter ihre Freundin Juli. Schuldgefühle treiben sie an, immer intensiver zu recherchieren. Zwischen die Fronten gerät die neue Lehrerin Laura Bender.
Die Bewohner des Bergdorfs sind die letzten Reste einer Täufergemeinde, so vermitteln sie auch ihren Kindern. Deren Leben ist damit auf Lug und Trug aufgebaut. Warum sie sich in die Einsamkeit geflüchtet haben und ein primitives Leben wählten, darf aus gutem Grund nicht herauskommen. Obwohl Jesse seine Freundin als vermisst meldet, kümmert sich die Polizei nicht darum. Erst das Auftauchen eines verwahrlosten Kindes bringt die Ermittlungen in Fahrt und einige Personen in Lebensgefahr.
Der Autorin gelingt, einerseits den Umgang mit Außenseitern im dörflichen Milieu herauszuarbeiten, andererseits den engen Bezug der Alpenbewohner zur Natur darzustellen, repräsentiert durch einen jungen Wolf. Die Auflösung kommt sehr überraschend, da die Täter vorher einseitig gezeigt wurden und deren Motive psychologisch nicht vollständig überzeugen. Als Filmstoff wäre der Roman vorstellbar.
Vera Buck, 1986 in NRW geboren, studierte Journalistik, Europäische Literaturwissenschaft und Drehbuch in Europa und den USA. Sie erhielt Stipendien und Auszeichnungen im In- und Ausland. Ihr erster Roman «Runa» war für den Friedrich-Glauser-Preis 2016 nominiert. Vera Buck lebt und arbeitet als freie Autorin in Zürich. «Wolfskinder» ist ihr Thriller-Debüt.
- Verlag: Rowohlt Taschenbuch
- Erscheinungstermin: 14.03.2023
- Lieferstatus: Verfügbar
- 416 Seiten
- ISBN: 978-3-499-00968-6