Marsch in die Transfer-Schulden-Union

Dieter Weirich

Seit die Wiederherstellung der Wehrfähigkeit Deutschlands mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro bewältigt werden soll, ist diese Finanzierungsquelle das Zauberwort für ausgabefreudige Politiker der Ampel-Koalition. Da sich Finanzminister Christian Lindner gegen die astronomischen Etatforderungen seiner Kabinettskollegen sperrt, wird der Ruf nach der Schaffung neuer Sondervermögen laut. SPD-Chefin Saskia Eskens will sich für die Bildung, Familienministerin Lisa Paus für die Kindergrundsicherung dieser Ausnahmebestimmung im Haushaltsrecht bedienen. Die von Lindner angestrebte Rückkehr zur Schuldenbremse ist für Grüne und Sozialdemokraten auch nicht erwünscht.

Sondervermögen, dieser Begriff dient der Vernebelung politischer Sachverhalte. Naive Betrachter verstehen darunter eine Art Notgroschen des Staates, der in besseren Zeiten zurückgelegt wurde. Dabei geht es schlicht um weitere Verschuldung, um die Schaffung von „Schattenhaushalten“ zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, wobei nur Zuführungen oder Ablieferungen in den Haushaltsplan eingestellt werden.

Nie war Deutschland so hoch verschuldet wie jetzt. Eine aktuelle Allensbach-Umfrage dokumentiert die Besorgnis der Bevölkerung. Eine überwältigende Mehrheit will eine Verringerung der Staatsausgaben. Deutschland schiebt einen Schuldenberg von fast zweieinhalb Billionen Euro vor sich her. Das deutsche Staatsdefizit ist damit knapp mehr als vier Prozent höher als nach dem Stabilitäts-und Wachstumspakt erlaubt. Die sogenannten „Maastricht-Kriterien“ gestatten drei Prozent, wurden aber in der Europäischen Union wegen der Corona-Pandemie vorübergehend ausgesetzt. Die deutsche Staatsverschuldung liegt bei 68 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die erlaubte Höchstgrenze sind 60 Prozent.

Leider wird eine Rückkehr zu seriöser Finanzpolitik durch den in diesen Tagen von der EU-Kommission vorgelegten Reformvorschlag für den EU-Stabilitätspakt nicht gestützt. Er sieht vielmehr eine weitere Aufweichung und Politisierung der Stabilitätskriterien von Maastricht vor, begründet dies mit den massiven Investitionen im Kampf gegen den Klimawandel und die digitale Transformation. Das ist der vorprogrammierte Marsch in die Transfer- und damit Schulden-Union.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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