„Mein Wohl“ statt Gemeinwohl

Autor Dieter Weirich

Ein deutscher Kanzler steigt, kurz vor seiner Abwahl, in ein energiepolitisches Megaprojekt mit den Russen ein, wird dann zum Lobbyisten des staatlich beherrschten Unternehmens, übergeht ungerührt den Vorwurf der neuen Bundesregierung, “respektlos gegenüber dem früheren Staatsamt“ zu sein und Vetternwirtschaft zu betreiben.

Er scheffelt Berater-Millionen, der russische Diktator wird zum Kumpel und  als „lupenreiner Demokrat“ gepriesen, obwohl er daheim wie im Ausland Regimegegner brutal bekämpft, seine Grausamkeit im Kaukasuskrieg und im Syrienkrieg unter Beweis stellt.

Die Erdgas- und Öl-Projekte machten Deutschland, nicht nur erpressbar, sie kosteten auch Sympathien bei europäischen Partnern. Statt die Abhängigkeit zu verringern, wurde sogar nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim noch das Projekt Nordstream 2 aus der Taufe gehoben. Im transeuropäischen Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine war zuvor schon die Energie als politisches Druckmittel missbraucht worden.

Trotzdem beruhigten die „energiepolitischen Putin-Versteher“ auf breiter Front, Russland sei ein verlässlicher Lieferant. „Laufbursche Schröder“ – so die Etikettierung von Putins Gegner Nawalny – könne als Makler hilfreich sein. Außerdem handele es sich ja nur um ein „privatwirtschaftliches Vorhaben“. Eine Sprachregelung, die Nachnachfolger Scholz noch vor kurzer Zeit benutzte.

Eine „Moskau-Connection“ scherte sich nicht um Proteste, ein ehemaliger SPD-Geschäftsführer, ein russischer Honorarkonsul, inzwischen abgedankt, rühmte  den russischen Außenminister Lawrow, ein  deutscher Ex-Diplomat, der zuvor schon versucht hatte, für Saudi Arabien zu werben, sollte Aufsichtsratschef einer Tochter von Nordstream 2 werden. Was das Außenamt immerhin inzwischen abgelehnt hat. In Mecklenburg-Vorpommern scheiterte – unter Druck und sozusagen in letzter Minute – eine öffentlich-rechtliche Stiftung, mit der mögliche Sanktionen der Amerikaner umgangen werden sollten. Mehr Filz geht nicht.

Warum gibt es keine Sanktionen gegen den ehemaligen Kanzler, der „Mein Wohl“ mit Gemeinwohl verwechselt und den Ukrainern noch kurz vor Putins Angriffskrieg „Säbelrasseln“ vorgeworfen hat? Noch hält der Sozialdemokrat seine Aufseher-Posten in der russischen Energiewirtschaft und auch das SPD-Parteibuch wurde ihm nicht entzogen.

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