Eiszeit im Klimawandel

Autor Dieter Weirich

Der Klimawandel bedroht unseren Planeten und besitzt auch eine aktuelle machtpolitische Dimension. Mit dem Ende des Kalten Krieges hatten wir viele Hoffnungen und Erwartungen auf eine friedvolle Zukunft verbunden. Dem einen Frühling verheißenden Tauwetter nach der Auflösung der Sowjetunion folgten Phasen der Ernüchterung bis zur klirrenden Kälte einer neuen Eiszeit. Aktuell dokumentiert durch ein waffenstarrendes Engagement Moskaus an den Grenzen zur Ukraine, die bereits durch die völkerrechtswidrige russische Annexion der Krim und durch kriegerische Auseinandersetzungen im Osten des Landes, dem Donbass-Konflikt in der Grenzregion, in ihrer Souveränität verletzt wurde.

Als ich in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Intendant der Deutschen Welle (DW) war, durfte ich die Vorzüge der von Michael Gorbatschow geprägten neuen Ordnung von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) erfahren. Der Moskauer Rundfunk lud mich als Chef des „Feindsenders“ zu einem Besuch ein. Als ich in einer fröhlichen Runde den eher scherzhaft gemeinten Vorschlag machte, die sowjetischen Störsender für die Ausstrahlung doch an uns zu vermieten, um unsere Frequenz nach Asien zu verstärken, ging die Gegenseite tatsächlich auf eine solche Vereinbarung ein. Die ehemalige Sowjetunion hatte bis dahin jährlich über eine Milliarde Dollar für die Störung westlicher Sender ausgegeben, jetzt diente sie der DW für mehrere Jahre als Plattform.

Die jetzige Eiszeit ist von einem schweren Anschlag Moskaus auf die Pressefreiheit gekennzeichnet. So erteilt man der DW Sendeverbot, schließt das Korrespondentenbüro, entzieht Akkreditierungen. Dies ist ein massiver Bruch internationaler Normen.

Im Kalten Krieg gab es die freiheitsfeindliche Breschnew-Doktrin. Danach durfte ein zum sozialistischen Lager gehörendes Land das Imperium nicht verlassen. Wenn Diktator Wladimir Putin jetzt eine Verzichtserklärung der Nato auf eine weitere Osterweiterung sowie den Abzug von US-Waffen aus Staaten des früheren sowjetischen Einflussbereichs fordert, dann verlangt er nichts anderes als das Bekenntnis des Westens zu einer Aufgabe des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das wiederum das Grundrecht des Völkerrechts ist. Eine unverhandelbare Zumutung. Es wäre ein Aus für unsere Werte.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

 

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