Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

 Zuerst verwirren sich die Worte, dann die Begriffe und schließlich die Sachen“. Diese chinesische Weisheit beschreibt treffend die von einem semantischen Betrug an der Realität gekennzeichnete deutsche Diskussion über Verschuldung und Sparsamkeit.

Sprache prägt Denkweisen und damit auch Verhaltensweisen. Worte können Waffen sein, schöne Farben aufzeigen, Brücken schaffen oder auch einreißen. Weil Sprache Herrschaftsinstrument ist, tobt in der Politik stets ein Kampf um die Deutungshoheit und die Besetzung von Begriffen.

Kaum etwas ist verwirrender als der Begriff „Sondervermögen“. In der Wirtschaft geht es dabei um das Anlagevermögen, das in offenen Fonds investiert und getrennt vom Kapital der Investmentgesellschaft verwahrt wird. Im Haushaltsrecht des Bundes versteht man darunter einen wirtschaftlich verselbständigten Nebenhaushalt, der ausschließlich zur Erfüllung einzelner, begrenzter Aufgaben bestimmt ist und daher getrennt vom Bundesvermögen verwaltet werden muss.

29 sogenannte „Sondervermögen“ gibt es beim Bund, die ältesten stammen aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die jüngsten wurden von der Berliner Ampel-Regierung zum Wiedergewinn der Wehrfähigkeit der Bundeswehr mit hundert Milliarden Euro sowie mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Überwindung der Energiekrise mit 200 Milliarden Euro geschaffen.

Dabei handelt es sich um ausgelagerte Schuldentöpfe, die am Tropf des kreditfinanzierten Bundeshaushaltes hängen und kommende Generationen belasten. Es geht also um nichts Geringeres als um weitere Aufblähungen in Schatten-Etats, um Sonderschulden. 869 Milliarden Euro sind dafür inzwischen aufgelaufen, die Staatsverschuldung insgesamt  ist bei einem Rekordhoch von 2,45 Billionen Euro angelangt.

Wer um den Abbau dieser gigantischen Schuldenlast bemüht ist, bekommt von rot-grünen Apologeten in der Ampel das Mäntelchen des „Kaputtsparers“ umgehängt. Nicht mehr die bescheidene schwäbische Hausfrau als Sparsamkeits-Ideal wird fortan gepriesen, ein negatives Image soll vielmehr der sich weiterer Staatsverschuldung verweigernde Knauser erhalten. Dabei vermag niemand zu sagen, wie viel politische Dummheiten durch einen Mangel an Geld schon verhindert wurden.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

 

 

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