Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Susanne Betz: Heumahd

Susanne Betz © Rainer Hofmann

Die Journalistin Susanne Betz weiß, wovon sie schreibt, aus eigener Anschauung. Das ist bei jeder Naturbeschreibung spürbar, sei es bei Wetterwechsel, sei es bei dessen Wirkung auf die Berge, oder auf die Bergbewohner. Hier hat eine Historikerin nicht nur recherchiert, sondern über Jahrzehnte in engem Kontakt die Menschen auf den Höfen beobachtet, ihre Mühe, ihre Wortkargheit und die Besonderheiten der Arbeitsverteilung im Wechsel der Jahreszeiten.

Mit Sympathie stellt uns die Autorin die junge Bäuerin Vroni vor, die gerade nach kurzer Ehe Witwe geworden ist, nachdem ihr Ehemann, von dem sie misshandelt wurde, betrunken erfroren ist. Wenig Erfahrung hat sie mit der Organisation, dem Timing der Arbeiten auf einem Hof, weil ihr Mann nichts mit ihr besprach. Der Knecht Korbinian, die Magd Josefa, die selber gerne eingeheiratet hätte, der alte Onkel des Mannes, der die meiste Zeit nur noch schläft, und Rosl, die siebenjährige Stieftochter mit Down-Syndrom, bilden die Schicksalsgemeinschaft.

Schwer lastet die allgemeine Empathie- und Sprachlosigkeit auf Vroni, die ihre Stieftochter gegen alle Diskriminierung der Dorfgesellschaft fördern möchte. Da fügt es sich, dass der Kunstmaler Wilhelm Leibl (die einzige reale Person) zur Sommerfrische ins Werdenfelser Land kommt und den Hof aufsucht. Eines seiner Bilder inspirierte Betz zu dem Roman.

Bäuerin, Magd und Knecht wirtschaften mehr schlecht als recht über zwei Jahre, in denen der Maler sich vom Kulturflüchtling zum Helfer mausert. Mit der Zeit gerät Vroni ins Visier der Männer der Gegend, weil sie deren Avancen alle zurückweist. Sie wird mit Missachtung und Habertreiben bestraft, weil sie die Eigenverantwortlichkeit genießt, umso mehr, als Leibl ihr eine Brille schenkt. Die zählt als Metapher für die Bewusstwerdung Vronis jenseits der Schufterei. Nun erfasst sie staunend die Schönheit der Natur um sich herum, was vorher als Kennzeichen der Stadtbevölkerung belächelt wurde. Als der Maler auch noch einen englischen Freund mitbringt, der mitfühlend ist und so ganz andere Manieren hat als die gewohnten, stürzt das Vroni in Gefühlswirrwarr. Im Dorfkontext muss eine kräftige Witwe wieder unter die Haube. Als Vroni das Wasser bis zum Halse steht, entscheidet sie nach Tradition, aber pragmatisch und sehr intelligent auf ihr Wohl bedacht.

Der Autorin gelang vor dem Background des beginnenden Alpentourismus am Ende der Regierungszeit Ludwigs II. ein mitfühlendes Bild, psychologisch schlüssig, mit fein dosiertem Spannungsaufbau und ohne Schuhplattlerromantik.

 

Susanne Betz wurde 1959 in Gunzenhausen geboren. Sie studierte Geschichts- und Wirtschaftswissenschaften in Deutschland, den USA und Kolumbien. Danach arbeitete die promovierte Historikerin bei verschiedenen deutschen und amerikanischen Tageszeitungen und Zeitschriften. Seit 1993 ist sie Hörfunkredakteurin in der Abteilung Politik des Bayerischen Rundfunks. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Nähe von München. In ihren historischen Romanen macht sie auf einzigartige Weise Geschichte lebendig.

 
 
 
 
Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-570-10345-6
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