Mehr als 115 Jahre nach dem Völkermord deutscher Kolonialtruppen an der indigenen Bevölkerungsgruppe der Herero und Nama erkennt die Bundesregierung die Verbrechen offiziell als Völkermord an. Mit einem Programm soll der Wiederaufbau und die Entwicklung der Siedlungsgebiete der Herero und Nama vorangetrieben werden.”

Generalleutnant Lothar von Trotha, der Oberfehlshaber der Schutztruppe in Deutsch-Suedwestafrika, mit seinem Stabe in Keetmanshoop waehrend des Herero-Aufstandes 1904. Bundesarchiv 8932-05

Am 11. Dezember 1904 taucht das Wort erstmals in einem Schreiben der deutschen Regierung auf. Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow telegrafiert an diesem Tag nach Deutsch-Südwestafrika und ordnet an, “Konzentrationslager” errichten zu lassen “für die Unterbringung und Unterhaltung der Reste des Hererovolkes”. Adressat ist der Oberbefehlshaber in Deutsch-Südwest, Lothar von Trotha.

In den Monaten zuvor hatte Trotha seine “Schutztruppe” in einen rücksichtslosen Kampf gegen die aufbegehrenden Herero und Nama geschickt, gegen bewaffnete Männer, aber auch gegen Frauen und Kinder, gegen Alte und Kranke. Im August 1904 trieben die deutschen Soldaten mehrere Zehntausend Herero in die Omaheke, ein weites Sandfeld im Osten der Kolonie, sie riegelten die Wasserlöcher systematisch ab, sie töteten und hetzten in den Tod. Trotha sprach von “Rassekrieg”, sein Ziel lautete “Vernichtung”.

Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts

Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie ihrem Volke zu, oder lasse auf sie schießen.“
Generalleutnant Lothar von Trotha, 2. Oktober 1904.

Ich glaube“, präzisierte von Trotha später in einem Brief an den Generalstab, „dass die Nation als solche vernichtet werden muss“.

Trothas Befehl markierte eine entscheidende Wende in dem bis dahin schon Monate dauernden Konflikt zwischen der die Siedler im Land beschützenden Kolonialmacht und den Herero, in den später auch die Nama und andere Volksgruppen hineingezogen wurden.

Es beginnt ein Massaker, an dessen Ende jeweils gut die Hälfte des Volkes der Herero und der Nama umgekommen sein werden. Insgesamt, so schätzt man 60 bis 70, vielleicht sogar bis zu 90.000 Tote. Es ist der erste Genozid des 20. Jahrhunderts.

Gefangene Herero und Nama während des Aufstandes 1904 bis 1908

Anfangs war es ein Kampf der Herero gegen fortgesetzten Landraub der Deutschen. Als die Herero erste Erfolge feierten, schlug die Militärmaschinerie des Deutschen Reiches erbarmungslos zurück. Der Krieg endete in einem Völkermord, der durch die landesweit eingerichteten Konzentrationslager der Deutschen Besatzer seine Fortsetzung fand. In den Konzentrationslagern starb fast jeder zweite Kriegsgefangene unter erbärmlichsten Bedingungen. Außerdem verloren die besiegten Afrikaner ihr Land und ihren Viehbesitz an die deutschen Kolonialherren und wurden einem rigiden Kontrollsystem unterworfen. Auf deutscher Seite fanden etwa 1700 Menschen den Tod. Dem Genozid auf afrikanischer Seite fielen Zehntausende zum Opfer.

Die gefangengenommenen Aufständischen, Männer und Frauen, wurden in Konzentrationslagern interniert und teilweise zu Zwangsarbeit eingesetzt. Schon 1904 waren Gefangenenlager in Okahandja, Windhuk und Swakopmund errichtet worden. Im weiteren Verlauf des Krieges kamen dann weiter mehr oder weniger feste bzw. offene Lager in fast allen Orten des Landes hinzu.

Die Stadt Swakopmund, sowie die Lüderitzbucht mit der Haifischinsel, heute offiziell Shark Island, hatten sich aufgrund der geringen Fluchtmöglichkeiten für die Anlage eines Gefangenenlagers angeboten. Auf der Nordspitze der Insel hatten die Verantwortlichen bereits 1905 ein Lager für einige hundert Herero errichtet. Da deren Aufstand bereits 1904 niedergeschlagen worden war und die deutschen Behörden in diesen Gefangenen keine großes Sicherheitsrisiko mehr sahen, genossen die Inhaftierten relative Bewegungsfreiheit. Soweit gesund, wurden sie tagsüber zu Arbeiten in der Lüderitzbucht herangezogen und gegen abends zur Haifischinsel zurückgebracht.

Die Haifischinsel mit dem Lager in der Lüderitzbucht vor 1910

Erst mit dem Eintreffen von 1.700 kriegsgefangenen Witbooi und Bethanier im Mai 1906, welche schon bei der Ankunft von Unterernährung und Krankheiten gezeichnet waren, änderten sich diese Verhältnisse drastisch. Da die Zahl der Neuankömmlinge offensichtlich viel zu hoch für die Insel war, forderte die Lagerleitung gleich zu Beginn sofortige Abhilfe sowie Anlieferung von Nahrung und Kleidung, um das Leben der Gefangenen nicht weiter zu gefährden. Laut diesem Bericht starben zahlreiche Herero infolge der örtlichen Feuchtigkeit und Kälte.

Gefangene Herero bei der Zwangsarbeit

Ebenso wie die kriegsgefangenen Herero wurden auch die Witbooi- und Bethanier-Nama – auch ihre Frauen! – während ihrer Gefangenschaft auf der Haifischinsel und nach ihrer Rückführung auf das Festland zu Arbeitseinsätzen, vor allem im Bahn-, Wege- und Straßenbau, herangezogen, sobald ihr Gesundheitszustand dies wieder zuließ. Unter welch schweren, ja teilweise unmenschlichen Bedingungen sie ihre Arbeit verrichten mussten, darüber gibt es eine ganze Reihe von Quellen. So heisst es beispielweise in der „Deutschen Kolonialzeitung“, dass „1000 kriegsgefangene Männer und Weiber“ bei den Erdarbeiten für den Bahnstreckenabschnitt von Lüderitzbucht nach Kubub eingesetzt wurden, „die allerdings infolge schlechter Ernährung vor ihrer Gefangennahme wenig leistungsfähig und Erkrankungen ausgesetzt waren.“ Nach Statistiken der Bauarbeiten an der Südbahn zwischen Lüderitzbucht und Keetmannshoop waren im Zeitraum von Januar 1906 bis Juni 1907 insgesamt 2014 Häftlinge aus dem Gefangenenlager auf der Haifischinsel eingesetzt. Davon starben 1359 während der Bauarbeiten. Abschließend sei noch erwähnt, dass die Kriegsgefangenschaft der Nama in Deutsch-Südwestafrika nie offiziell aufgehoben worden war. So gab es noch im Januar 1915, also fast ein halbes Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Nama-Kriegsgefangene in der Kolonie, wie aus einem an das Gouvernement in Windhuk gerichteten Schreiben des Kaiserlichen Eingeborenen-Kommissars vom 18. Januar 1915 hervorgeht – im Gegensatz zur Kriegsgefangenschaft der Herero, die durch Rundverfügung vom 26. März 1908, R Vg. 8295, amtlich für beendet erklärt wurde.

Sepp Spiegl

 

 

- ANZEIGE -