Rezension von Dr. Aide Rehbaum

Monika J. Mannel, Agnes Gossen: Kindheiten in Deutschland und Russland

Monika J. Mannel (re) und Agnes Gossen

Die Kurzgeschichtensammlung zweier Autorinnen erzählt uns etwas über Kindheiten in der Nachkriegszeit. Beide ähneln sich in der Ärmlichkeit, ein Leben auf engstem Raum ohne Wasseranschluss und Strom, hier ein Arbeiter auf dem Bau, dort in der Kolchose. Allmählich verbessert sich das Niveau und andere Hindernisse erschweren das Fortkommen. Dennoch leben Kinder mit einfachsten Mitteln ihre Phantasie aus. Die Erziehungspraktiken sind rigide und wenig empathisch. Kinder hatten sich anzupassen, auf ihre Entwicklung wird kaum Rücksicht genommen. Religion dient bei Mannel als Züchtigungsmittel, bei Gossen muss sie heimlich praktiziert werden.

Während der Teil von Monika Mannel durch die kindliche Sicht und den bönnschen Dialekt in gelungenen Dialogen besticht, liefert Gossen beiläufig zahlreiche (erschütternde) Andeutungen zur Geschichte der Russlanddeutschen in stalinistischer und nachstalinistischer Zeit, die neugierig machen auf mehr. Zeitzeugen werden die Tatsachen geläufig sein, aber kaum dem bundesdeutschen Leser. Zum Teil verwirrt die unchronologische Einstreuung. Daran merkt man, dass die Geschichten unabhängig voneinander entstanden sind. Es hätte dem Sammelband gut getan, wenn man den Text mit Blick aufs Ganze überarbeitet hätte. Zahlreiche Redundanzen wären so vermieden worden.

Das erlaubt das Lesen mit Unterbrechungen, da es unerheblich ist, ob der Leser den Faden verloren hat. Die Entscheidung des Verlags, den Text in Großdruck zu setzen, ist im Hinblick auf die Hauptleserschaft begrüßenswert.

 

 

Monika J. Mannel
1949 in Bonn geboren, lebt dort. Seit 1997 leitet sie als ausgebildete Poesiepädagogin die „Kreative Schreibwerkstatt Bonn“. Veröffentlichungen in verschiedenen Anthologien diverser Verlage. Drei Anthologien der Kreativen Schreibwerkstatt Bonn: „Immer raus mit der Sprache“, SchreibReisen“, „Dienstags wird geschrieben“, zudem die Lyrikbände „Strömungen“ und „Türen der Erinnerungen“ sowie mehrere Weihnachtswelten-Broschüren sind im Geest-Verlag erschienen. Mitglied im Literaturatelier des Frauenmuseums Bonn und im Literaturkreis der Deutschen aus Russland.

Agnes Gossen
1953 im russlanddeutschen Dorf Podolsk, Gebiet Orenburg, geboren. Die Lyrikerin, Essayistin und Übersetzerin studierte an der Pädagogischen Hochschule in Orenburg Slawistik (1970-1974) und in Naltschik Bibliothekswesen (1981-1983). Anschließend unterrichtete sie Russische Sprache und Literatur in Podolsk und Prochladny (Nordkaukasus), war als Bibliothekarin und gleichzeitig als freischaffende Journalistin tätig.
Seit 1989 lebt sie in Deutschland und arbeitet als Bibliothekarin an der Universitätsbibliothek in Bonn. War 12 Jahre Vorsitzende des Literaturkreises der Deutschen aus Russland e.V., erhielt bedeutsame Auszeichnungen für ihr ehrenamtliches Engagement. Zahlreiche Einzelveröffentlichungen und Beiträge in Anthologien und Literaturzeitschriften.

 

Monika J. Mannel

und Agnes Gossen

Kindheit in Deutschland und Russland

Geest-Verlag 2018

ISBN 978-3-86685-666-0

12,50 Euro

 

 

 

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