Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Bei den Reaktionen auf die Volksverhetzung propalästinensischer Protestgruppen an deutschen Universitäten muss man sich fragen, welches Verständnis von akademischer Freiheit un Toleranz hierzulande mittlerweile herrscht. Nicht die Krawallmacher, von denen einige auf Transparenten das Kalifat unserer Demokratie vorziehen, sitzen auf der Anklagebank, sondern die Polizei tut es, die wie in Berlin den Campus geräumt haben, um Recht und Ordnung wieder herzustellen .

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und die Hochschulrektoren -Konferenz haben die Polizeiaktionen verteidigt, werden aber von Lehrkräften und auch der Universitätsleitung scharf attackiert. Berlins TU-Präsidentin Geraldine Rauch wirft der Ministerin „pauschale Verunglimpfung“ vor, verweist auf die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit.

Dass die Exzesse des Hasses von propalästinensischen Gruppen, die mit offenen antisemitischen Parolen einhergehen, im öffentlichen Raum von Universitäten in einem Rechtsstaat nicht geduldet werden können, sollte auch Professoren und Dozenten einsichtig sein. Dass es auch in den USA, etwa an der Columbia-University, solche Auswüchse gibt, entschuldigt die skandalösen Vorfälle bei uns nicht.

Blanke Israelfeindlichkeit spricht aus den Parolen der islamistischen Brandstifter, die bei ihren Aktionen weder den Überfall der Hamas auf Israel noch das Leid der Geiseln thematisieren. Einige Fanatiker steigern sich in eine moralische Pose, vergleichen ihren Einsatz mit dem Kampf von Nelson Mandela oder Ché Guevara.

Universitäten sind eigentlich der Freiheit des Geistes verpflichtet, dem lebendigen Austausch von Meinungen und dem Dialog. Wenn von den Protestgruppen nun der Abbruch der Kooperationen mit israelischen Hochschulen gefordert wird, verstummt jede Bereitschaft zum Gespräch.

Ein Bild aus den Straßenkämpfen der Achtundsechziger aus dem vergangenen Jahrhundert dokumentiert das ganze Elend der heutigen geistigen Verödung an den deutschen Hochschulen. Auf einem Auto streitet sich seinerzeit inmitten der Masse aufgebrachter Studenten der liberale Vordenker Prof. Rolf Dahrendorf mit dem in sein Megaphon brüllenden Rudi Dutschke. Ein Bild von einer auf dem Campus mit Studenten diskutierenden Ministerin ist heute  schwer vorstellbar.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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