Die Gründung Roms und das Erbe einer antiken Stadt

Romulus und Remus (1615 – 1616) Capitoline Museums-Rom

Die Legende von Romulus und Remus ist eine faszinierende Erzählung, die den Ursprung der Stadt Rom in der Antike beschreibt. Diese mythische Geschichte bildet den Hintergrund für die Gründung Roms und beeinflusste maßgeblich die kulturelle Identität und Geschichte der Stadt. Obwohl historische Fakten und die Realität der Ereignisse schwer zu trennen sind, bleibt die Geschichte von Romulus und Remus ein zentraler Bestandteil des römischen Erbes.

Die Ursprünge der Zwillinge: Die Legende beginnt mit dem Gott Mars, dem römischen Kriegsgott, der die vestalische Jungfrau Rhea Silvia verführt. Die Folge dieser göttlichen Verbindung sind die Zwillinge Romulus und Remus. Die eifersüchtige Königin Amulius befiehlt jedoch, die Kinder in den Tiber zu werfen. Doch das Schicksal hat andere Pläne für die Zwillinge.

Ihre Jugend ist von Geheimnissen, Gefahren und Schicksalsschlägen geprägt. Nachdem sie von der Wölfin Lupa gefunden und aufgezogen wurden, wuchsen die Zwillinge zu kräftigen jungen Männern heran. Ihr Leben war jedoch durch die Umstände ihrer Geburt von Anfang an mit Tragödie und Intrigen verknüpft. Als sie älter wurden, erfuhr das Zwillingspaar von ihrer königlichen Abstammung und beschloss, ihre wahre Identität zu enthüllen. Sie waren von einem tiefen Verlangen geprägt, die Stadt Alba Longa, die Heimat ihrer Großeltern, von der Tyrannei des falschen Königs Amulius zu befreien. Ihr Drang nach Gerechtigkeit und die Entschlossenheit, die Ehre ihrer Familie wiederherzustellen, trieben Romulus und Remus dazu, in ihre Heimat zurückzukehren und die Dinge in die Hand zu nehmen.

Die Rückkehr der Zwillinge nach Alba Longa markierte einen entscheidenden Wendepunkt in ihrer Geschichte. Ihr erster Akt war die Wiedereinsetzung ihres Großvaters Numitor als rechtmäßigen König. Dieser Akt der Gerechtigkeit legte den Grundstein für ihre eigenen Bestrebungen, eine eigene Stadt zu gründen. Nachdem sie Numitor als König eingesetzt hatten, erwuchs in Romulus und Remus der Wunsch, ihre eigene Stadt zu gründen – eine Stadt, die ihre eigene Identität repräsentieren sollte. Dieser Wunsch führte zu Spannungen in Alba Longa, insbesondere mit dem königlichen Rat und den Anhängern des abgesetzten Königs Amulius. Schließlich entschieden sich die Zwillinge dafür, ihre Heimat zu verlassen und eine neue Siedlung an einem Ort zu gründen, den die Götter selbst auswählen würden.

Romulus und sein Zwillingsbruder Remus aus einem Fries aus dem 15. Jahrhundert, Certosa di Pavia

Die Idee zur Gründung einer Stadt entstand aus den tiefen Überlegungen und dem Wunsch der Zwillinge, Romulus und Remus, eine Gemeinschaft zu schaffen, die ihre eigene Identität repräsentieren und eine Blütezeit erleben sollte. Der Hintergrund dieser Idee war von mehreren Faktoren geprägt:

  1. Recht auf Selbstbestimmung: Nach der Wiedereinsetzung ihres Großvaters Numitor als König von Alba Longa sehnten sich Romulus und Remus nach einem Ort, an dem sie frei über ihre eigene Zukunft entscheiden konnten. Der Drang nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung war ein zentraler Motor für ihre Idee, eine neue Stadt zu gründen.
  2. Die göttliche Bestimmung: Die göttlichen Elemente in ihrer Geschichte spielten eine entscheidende Rolle. Die Tatsache, dass sie von der Wölfin Lupa gerettet wurden und später göttliche Zeichen an den Ufern des Tiber erhielten, beeinflusste ihre Entscheidung, an diesem Ort eine Stadt zu gründen. Die Brüder sahen dies als eine Bestätigung der Götter für ihre Mission an.
  3. Ehrgeiz und Idealismus: Romulus und Remus waren von Natur aus ehrgeizig und idealistisch. Ihr Streben nach Größe und ihr Wunsch, etwas Bedeutendes zu schaffen, trieben sie dazu, über die engen Grenzen von Alba Longa hinauszuschauen und eine neue Gemeinschaft zu gründen. Der Traum von einer florierenden und mächtigen Stadt war ein Ansporn für ihre Pläne.
  4. Die Suche nach einem günstigen Ort: Bei ihrer Suche nach einem Ort für die neue Stadt wählten die Zwillinge die sieben Hügel am Tiber aus. Diese Wahl war nicht nur strategisch klug, sondern auch von einer tiefen symbolischen Bedeutung. Die Lage bot Schutz vor feindlichen Angriffen und ermöglichte den Zugang zu Handelswegen.
  5. Konflikte und Unzufriedenheit in Alba Longa: Die Rückkehr der Zwillinge nach Alba Longa führte zu Spannungen und Konflikten in der Stadt. Die Unzufriedenheit mit der bestehenden Ordnung und das Bedürfnis nach einem neuen Anfang trugen zur Entscheidung bei, eine eigene Stadt zu gründen, anstatt in Alba Longa zu bleiben.
Statue der römischen Wölfin mit den Zwillingen Romulus und Remus, vor dem Dom in Siena ©seppspiegl

Insgesamt kann man sagen, dass die Idee zur Gründung einer Stadt aus einer Mischung von politischen, göttlichen, persönlichen und idealistischen Überlegungen entstand. Die Zwillinge hatten die Vision, eine Stadt zu schaffen, die nicht nur ihre eigene Geschichte und Herkunft repräsentiert, sondern auch zu einer bedeutenden Kraft in der antiken Welt werden würde. So kam es zur Gründung Roms im Jahr 753 v. Chr.

Der „Bruderstreit“ oder auch „Brudermord“ war ein tragisches Ereignis in der Legende von Romulus und Remus, das den Höhepunkt ihrer Rivalität und den Beginn der Gründung Roms markiert. Die Brüder, die gemeinsam die Idee hatten, eine neue Stadt zu gründen, gerieten in einen Streit über den idealen Ort für diese Stadt, der schließlich zu einem tödlichen Ausgang führte. Die Legende besagt, dass Romulus und Remus sich nicht einigen konnten, welcher der sieben Hügel am Tiber der beste Standort für ihre neue Stadt sein sollte. Romulus bevorzugte den Palatinhügel, während Remus den Aventinhügel favorisierte. Um die Streitfrage zu klären, vereinbarten die Brüder, göttliche Zeichen zu beobachten: Jeder sollte auf seinem bevorzugten Hügel Vögel beobachten, die ein göttliches Omen darstellen würden.

Romulus, auf dem Palatinhügel stehend, behauptete, Vögel gesehen zu haben, und Remus, auf dem Aventinhügel, behauptete dasselbe. Der Streit eskalierte, und in einem hitzigen Moment überschritt Remus die von Romulus gezogenen Stadtgrenzen als Ausdruck seines Widerspruchs. In einem Anfall von Wut oder möglicherweise als göttliches Zeichen tötete Romulus seinen Bruder Remus. Diese Tragödie, bekannt als der „Bruderstreit“, war ein entscheidender Moment in der Geschichte der Gründung Roms. Der Tod von Remus führte dazu, dass Romulus allein die Verantwortung für die Stadtgründung übernahm und sie nach sich selbst benannte. Der Mythos des Brudermords trägt nicht nur zur Dramatik der Legende bei, sondern symbolisiert auch die Opfer und Konflikte, die oft mit der Gründung und dem Aufbau einer Stadt verbunden sind.

Ansicht der Stadt Rom um 1490

Nach dem tragischen Tod seines Bruders widmet sich Romulus der Entwicklung der neuen Stadt. Romulus zieht die berühmten „Sieben Hügel“ als Standort für die Stadtgrenzen und errichtet den Tempel des Jupiter Optimus Maximus auf dem Kapitolhügel. Er lädt Männer verschiedener Herkunft ein, um die Bevölkerung zu vergrößern, und schafft das Fundament für eine starke Gemeinschaft. Aber es mangelte es an Frauen. Um dieses Problem zu lösen, verwendete Romulus eine List und lud die Bewohner der benachbarten Städte zu einem großen Kampfspiel zu Ehren des Neptun ein. Mitten im Spiel stürzten sich die römischen Krieger auf die kaum bewaffneten Gäste und sprengten sie auseinander. Dabei ergriffen sie alle unverheirateten Mädchen, derer sie habhaft werden konnten. Die Brüder und Väter schworen Rache. Die Mädchen, von denen die meisten Sabinerinnen waren, ließen sich jedoch eine nach der anderen zur Heirat bewegen.
Als die Sabiner später mit einem starken Heer kamen und sich mit den Römern eine Schlacht lieferten, drängten sich die Frauen auf das Schlachtfeld und baten darum, den um sie geführten Kampf zu beenden, da auf der einen Seite ihre Brüder und Väter, auf der anderen ihre Männer und Kinder sterben würden. Ihre Bitten hatten schließlich Erfolg, Romulus und Titus Tatius, Herrscher der Sabiner, reichten einander die Hand. Die Kämpfer verbrüderten sich, und Römer und Sabiner verschmolzen ihren Staat unter der Doppelherrschaft von Romulus und Titus Tatius.
Der antiken Erzählung folgend gelang es Romulus durch seine List, anschließende Kämpfe und einen durch die Sabinerinnen erzwungenen Friedensschluss, die palatinische und die quirinalische Ansiedlung zum ‚Populus Romanus Quiritium‘ zu vereinen. Er und der Sabinerkönig Titus Tatius regierten fortan gemeinsam. Auf der ursprünglichen Ansiedlung der Sabiner, dem Hügel, der dem Sabinischen Kriegsgott Quirinus geweiht war, wurde nach der Vereinigung beider Völker das Capitolium errichtet. Hier habe der Tempel des Quirinus (Saturn) gestanden, der vom sabinischen Volk besonders verehrt wurde.

Romulus, einer der mythischen Zwillingsgründer von Rom von Michael Burghers

Die Überlieferungen und Legenden über Romulus sind oft von mythologischen Elementen durchzogen, und es gibt keine konsistenten historischen Aufzeichnungen über die genaue Dauer von Romulus‘ Herrschaft oder Leben. Gemäß den Überlieferungen soll Romulus die Stadt Rom im Jahr 753 v. Chr. gegründet haben. Die Zeit seiner Herrschaft variiert je nach Quelle. Nach der Überlieferung des antiken römischen Historikers Livius regierte Romulus für 37 Jahre, bis zu seinem mysteriösen Verschwinden im Jahr 716 v. Chr. Die genauen Umstände seines Verschwindens sind unklar, und es gibt verschiedene Versionen dieser Legende. Eine der Legenden besagt, dass Romulus von einem Sturm der Götter entführt wurde und in den Himmel aufstieg, wo er als Gott Quirinus verehrt wurde. Eine andere Version behauptet, dass Romulus von Senatoren ermordet wurde, die seinen autoritären Herrschaftsstil missbilligten. In dieser Erzählung wurde sein Tod geheim gehalten, um Unruhen zu verhindern.

Es ist wichtig zu betonen, dass die historische Zuverlässigkeit dieser Legenden begrenzt ist, und die genauen Details über das Leben und das Ende von Romulus sind von Historikern oft mit Vorsicht zu betrachten. Die Figur des Romulus hat jedoch einen tiefen Einfluss auf die römische Kultur und Geschichte gehabt, unabhängig von der historischen Genauigkeit der Überlieferungen.

Die Legende von Romulus und Remus hat einen tiefen Einfluss auf die römische Kultur und Identität ausgeübt. Die Stadt Rom sieht in Romulus nicht nur den Gründer, sondern auch den Helden, der die Stadt vor Feinden schützte und ihr Wohlstand und Macht verlieh. Der Mythos von den Zwillingen findet sich in zahlreichen Kunstwerken, literarischen Werken und Monumenten Roms wieder. Die Geschichte von Romulus und Remus ist mehr als nur eine antike Legende. Sie symbolisiert den Ursprung einer der bedeutendsten Städte der Welt und prägt das Selbstverständnis der Römer. Auch wenn die historische Genauigkeit in Frage gestellt werden kann, bleibt die Faszination für diese mythische Erzählung erhalten, und sie wird weiterhin Generationen von Menschen inspirieren und beeinflussen.

Sepp Spiegl

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