Auf dem linken Auge blind
von Dieter Weirich

Im zur Überlebensfrage für die Demokratie hochstilisierten Kampf gegen rechts, um –so der einstige SPD-Bundestags-Fraktionschef Mützenich – „das Tor zur Hölle“ nicht aufzuschließen, scheint die Sehkraft von Politik und Gesellschaft für die Gefahr des immer stärker grassierenden Linksradikalismus zu verkümmern. Teile der Linkspartei in Berlin kooperieren offen mit Unterstützern der Hamas, plakatieren Sympathien für die vor Gericht stehende RAF-Terroristin Daniela Klette , praktizieren unverhohlenen Antisemitismus . In Frankfurt duldet die Stadt einen von der Linken im Römerparlament goutierten gewaltsamen Hausfriedensbruch in einer kommunalen Immobilie, die auf dem Anwesen im Wind flatternde Palästina-Flagge der Antifa findet nur mäßige Aufmerksamkeit.
Die sich selbst als „Antifaschismusmaus“ in den sozialen Medien karikierende Linke-Chefin Heidi Reichinnek will den Klassenkampf wieder auf die Tagesordnung bringen, den Kapitalismus stürzen, die Reichen enteignen, das Privateigentum abschaffen, der staatlichen Planung statt der marktlichen Steuerung von Angebot und Nachfrage den Vorzug geben. Zurück zur DDR will die Nachfolgeorganisation der einstigen Einheitspartei des Unrechtsstaates nicht, ein Wunschsystem auf der internationalen Landkarte sieht man aber auch nicht. „Hauptsache Sozialismus“ heißt das Ziel.
Man braucht keine aufwändigen Gutachten des Verfassungsschutzes, um die in Umfragen bereits mit der SPD und den Grünen konkurrierende Linke als gesichert linksextrem einstufen zu können. Ein Blick ins Parteiprogramm genügt. Bestimmte Strömungen und Gruppierungen der Partei wie die Antikapitalistische Linke, die Kommunistische Plattform sowie die Jugend-und Studentenorganisation haben den „Demokratie-TÜV“ des Verfassungsschutzes ohnehin nicht bestanden, was in der Verbotsdiskussion über die AfD kaum bemerkt worden ist.
Besorgt machen muss die mangelnde Auseinandersetzung mit der Linkspartei, die im Schatten der Verbotsdiskussion über die AfD um demokratische Salonreife bemüht ist. Dabei ist sie auch erfolgreich. SPD und Grüne sind zum Zusammenwirken bereit, die CDU hat zwar einen Abgrenzungsbeschluss, opportunistische Anwandlungen der im komplizierten Parteiengefüge nach Mehrheiten suchenden Partei sind aber immer weniger auszuschließen.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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