Deutsche Redewendung: „Dumm wie Bohnenstroh“
von Sepp Spiegl
Die deutsche Sprache ist reich an Redewendungen, die oft humorvoll, bildhaft oder nachdenklich sind. Eine davon ist die Wendung „dumm wie Bohnenstroh“, die schnell und scharf einen Mangel an Intelligenz oder Klugheit beschreibt. Doch was steckt hinter dieser Ausdrucksweise, und wie wird sie heute verwendet? Dieser Artikel beleuchtet die Herkunft, Bedeutung und den Gebrauch dieser Redewendung in unterschiedlichen Kontexten.
Einleitung: Was bedeutet „dumm wie Bohnenstroh“?
Die Redewendung „dumm wie Bohnenstroh“ wird genutzt, um auf eine augenscheinliche oder empfundene Dummheit hinzuweisen. Im Alltag wird sie oft scherzhaft oder übertrieben gebraucht, um jemanden als einfältig oder wenig nachdenklich zu bezeichnen. Dabei schwingt nicht selten ein ironischer Unterton mit. Die Verwendung dieser Wendung hat jedoch auch potenziell beleidigenden Charakter, wenn sie ernsthaft oder abwertend gemeint ist.
Herkunft: Woher kommt „Bohnenstroh“?
Die Redewendung „dumm wie Bohnenstroh“ hat ihre Wurzeln in der bäuerlichen Kultur des Mittelalters, einer Zeit, in der die Landwirtschaft das Leben und Denken der Menschen stark prägte. Um die Herkunft dieser Redewendung besser zu verstehen, lohnt es sich, die Bedeutung von „Bohnen“ und „Stroh“ im damaligen Kontext sowie die sozialen und sprachlichen Gepflogenheiten jener Epoche zu betrachten.
Bohnen gehörten im Mittelalter zu den wichtigsten Nutzpflanzen in Europa. Sie waren ein Grundnahrungsmittel und wurden in großen Mengen angebaut, da sie sowohl für die menschliche Ernährung als auch als Futtermittel für Tiere von Bedeutung waren. Bohnen galten als sättigend und waren vor allem für die ärmeren Bevölkerungsschichten erschwinglich. Die Bohnenpflanze hinterließ nach der Ernte jedoch eine große Menge an nutzlosem Stroh. Dieses „Bohnenstroh“ – die trockenen, holzigen Reste der Pflanzen – war weder für den menschlichen Verzehr noch für Tiere besonders brauchbar. Anders als Getreidestroh, das oft als Futter oder Einstreu für Tiere diente, war Bohnenstroh zu grob und unattraktiv. Es wurde daher als wertlos angesehen und oft einfach entsorgt oder bestenfalls als Brennmaterial verwendet.
Im Mittelalter entwickelte sich eine enge metaphorische Verbindung zwischen „Stroh“ und Wertlosigkeit, Dürftigkeit oder Leere. Stroh, das leicht entflammbar und vergänglich war, wurde oft als Symbol für Vergänglichkeit oder etwas, das ohne Substanz ist, angesehen. In der Bibel, die im Mittelalter eine zentrale Rolle spielte, gibt es zahlreiche Erwähnungen von Stroh, häufig in abwertender Bedeutung. Ein bekanntes Beispiel findet sich in 1. Korinther 3,12-13, wo Stroh als weniger wertvoller Baustoff gegenüber Gold oder Silber erwähnt wird. Diese Assoziationen könnten auf das Bohnenstroh übertragen worden sein. Das Bohnenstroh galt als noch weniger nützlich als Getreidestroh, wodurch es sich als Sinnbild für etwas völlig Nutzloses anbot. Diese Vorstellung wurde schließlich auf geistige Eigenschaften wie Dummheit projiziert: Jemand, der „dumm wie Bohnenstroh“ ist, besitzt ebenso wenig Substanz oder Wert wie das besagte Stroh.
Redewendungen und Humor im bäuerlichen Alltag
Im bäuerlichen Alltag des Mittelalters waren Redewendungen und Sprichwörter ein beliebtes Mittel, um das Leben mit seinen Herausforderungen zu kommentieren. Sie waren oft derb, bildhaft und humorvoll, da sie direkt aus den Erfahrungen und Beobachtungen des ländlichen Lebens schöpften. Eine Redewendung wie „dumm wie Bohnenstroh“ fügte sich nahtlos in diese Tradition ein: Sie verband eine anschauliche, alltägliche Beobachtung (die Nutzlosigkeit des Bohnenstrohs) mit einer Übertreibung, die zum Schmunzeln oder auch zum Spott einlud. Die Wendung könnte ursprünglich scherzhaft gebraucht worden sein, um Bauern oder Knechte zu kritisieren, die unüberlegte oder ungeschickte Entscheidungen trafen. Der derbe Humor dieser Zeit erlaubte es, solche Aussagen ohne große Zurückhaltung auszusprechen, insbesondere in einem sozialen Gefüge, in dem klare Hierarchien herrschten und Knechte oder Tagelöhner oft Zielscheiben von Spott und Kritik waren. Das Mittelalter war geprägt von einem begrenzten Zugang zu Bildung. Dummheit wurde in dieser Zeit weniger mit einem Mangel an Intelligenz im heutigen Sinne gleichgesetzt, sondern eher mit Unwissenheit oder mangelnder Lebenserfahrung. Menschen, die nicht lesen oder schreiben konnten – und das war die Mehrheit der Bevölkerung – galten als „dumm“ im Sinne von unwissend. Solche Begriffe wurden jedoch oft nicht als schwerwiegende Beleidigung, sondern eher als Beschreibung einer tatsächlichen Lebenssituation verstanden.
Die Redewendung „dumm wie Bohnenstroh“ spiegelt diese Geisteshaltung wider. Sie bezeichnet nicht nur die Wertlosigkeit des Strohs, sondern spielt auch auf eine Person an, die in ihrer Unwissenheit oder Naivität als „wertlos“ für eine bestimmte Aufgabe angesehen wird.
Warum gerade Bohnenstroh?
Man könnte sich fragen, warum „Bohnenstroh“ und nicht irgendein anderes Stroh zur Basis dieser Redewendung wurde. Ein Grund könnte in der Alltäglichkeit und zugleich Nutzlosigkeit von Bohnenstroh liegen. Es war allgegenwärtig auf den Feldern, aber so unbrauchbar, dass es leicht als Sinnbild für Absurdität oder Dummheit herhalten konnte. Auch der Kontrast zwischen der Nützlichkeit der Bohnen und der Nutzlosigkeit ihres Strohs könnte eine Rolle gespielt haben. Während die Bohne als wertvolle Nahrung galt, wurde ihr „Abfallprodukt“ als völlig unbrauchbar angesehen – eine Dualität, die im Volksmund zu humorvollen Vergleichen einlud.
Gebrauch im Alltag
Die Redewendung „dumm wie Bohnenstroh“ ist auch heute noch ein fester Bestandteil der Alltagssprache, besonders in informellen und familiären Kontexten. Sie wird häufig humorvoll oder überspitzt verwendet, um eine vermeintlich unüberlegte Handlung oder eine gedankenlose Bemerkung zu kommentieren. Hier sind verschiedene Beispiele, die zeigen, wie die Redewendung im Alltag angewendet wird:
1. Humorvolle Bemerkung über Missgeschicke
In einem lockeren Gespräch unter Freunden oder in der Familie wird die Wendung oft verwendet, um kleinere Fehler oder Unaufmerksamkeiten aufzugreifen.
Beispiel:
- Person A: „Ich hab meine Brille gesucht, und die war die ganze Zeit auf meiner Nase!“
- Person B: „Dumm wie Bohnenstroh – aber sympathisch!“
Hier wird die Redewendung spielerisch und ohne verletzende Absicht genutzt, oft begleitet von einem Lächeln oder einem Lachen.
2. Selbstironie bei eigenen Fehlern
Menschen verwenden die Redewendung auch, um sich selbstironisch über ihre eigenen Fehler lustig zu machen.
Beispiel:
- „Ich habe den Herd angelassen, als ich zur Arbeit gefahren bin – manchmal bin ich echt dumm wie Bohnenstroh!“
Diese Art der Nutzung nimmt die Schärfe der Redewendung, da sie auf einen selbst bezogen ist.
3. Kritik an jemand anderem in alltäglichen Situationen
Wenn jemand etwas offensichtlich Ungeschicktes oder Unüberlegtes tut, wird die Redewendung manchmal zur scherzhaften, aber kritischen Bemerkung:
Beispiel:
- „Du hast die Rechnung bezahlt, aber das Rückgeld beim Kellner vergessen? Dumm wie Bohnenstroh, ehrlich!“
Hier kann der Ton von scherzhaft bis leicht genervt reichen, je nach Beziehung zwischen den Personen.
4. Kommentierung von Verhalten in Diskussionen oder Streitgesprächen
In emotional aufgeladenen Situationen wird die Redewendung gelegentlich benutzt, um Ärger oder Frustration auszudrücken.
Beispiel:
- „Wie kannst du das glauben? Das ist doch offensichtlich eine Lüge. Manchmal bist du echt dumm wie Bohnenstroh!“
In solchen Fällen kann die Aussage jedoch verletzend wirken und als Beleidigung verstanden werden.
5. Umgangssprache in humorvollen Erzählungen
Die Redewendung wird oft in Geschichten oder Anekdoten eingebaut, um die Handlung lebendiger und pointierter zu machen.
Beispiel:
- „Mein Nachbar wollte den Rasenmäher reparieren, ohne ihn vorher auszuschalten. Dumm wie Bohnenstroh, aber zum Glück hat er sich nicht verletzt!“
Hier wird die Redewendung genutzt, um das Verhalten der Person humorvoll zu kommentieren.
6. Lehrer-Schüler-Kontext (heute selten)
Früher war es nicht ungewöhnlich, dass Lehrer oder Ausbilder diese Wendung nutzten, um Schüler auf vermeintlich „dumme“ Fehler hinzuweisen. Heute ist dies weit weniger üblich, da der Ausdruck als beleidigend empfunden werden könnte.
Beispiel (historisch):
- „Du hast die einfachste Aufgabe im Test nicht gelöst? Dumm wie Bohnenstroh – aber das kriegen wir hin!“
7. Social Media und Online-Kommentare
In sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook oder TikTok wird die Redewendung gelegentlich verwendet, um witzige oder absurde Situationen zu kommentieren.
Beispiel:
- „Ich habe den ganzen Tag mein Handy gesucht und dann gemerkt, dass es in meiner Hand war. #dummwiebohnenstroh“
Solche Verwendungen betonen den humorvollen und selbstironischen Charakter der Redewendung.
8. Verwendung in der Partnerschaft
In Beziehungen wird die Redewendung manchmal genutzt, um sich gegenseitig spielerisch zu necken.
Beispiel:
- Person A: „Ich habe wieder vergessen, die Milch aus dem Kühlschrank zu holen, obwohl du es gesagt hast.“
- Person B: „Na, dumm wie Bohnenstroh heute? Macht nichts, ich liebe dich trotzdem.“
Durch den liebevollen Ton wird die Aussage hier entwaffnend und nicht verletzend.
9. Eltern-Kind-Situationen
Eltern nutzen die Wendung manchmal, um ihren Kindern auf humorvolle Weise kleine Fehler oder Missgeschicke zu verdeutlichen.
Beispiel:
- „Du hast deinen Turnbeutel in der Schule vergessen? Dumm wie Bohnenstroh, aber nächstes Mal denkst du bestimmt dran!“
Hier ist der Ton oft humorvoll belehrend, ohne zu streng zu wirken.
10. Arbeitsplatz und Kollegenkreis
Auch im Arbeitsumfeld kann die Redewendung in lockeren Momenten eingesetzt werden, etwa wenn ein Kollege einen Fehler macht.
Beispiel:
- „Du hast das Meeting um eine Stunde verschoben und dann selbst vergessen? Dumm wie Bohnenstroh, aber typisch für Montags!“
Diese Verwendung erfordert jedoch ein gutes Verhältnis unter Kollegen, da sie sonst als unhöflich aufgefasst werden könnte.
Verwendung in der Literatur und Medien
In der Literatur und in Medien erscheint die Redewendung seltener, ist aber dennoch präsent. Sie wird meist in Dialogen oder als Teil der Charakterisierung von Figuren verwendet, die als einfältig dargestellt werden sollen. Der derbe Klang der Wendung macht sie prädestiniert für humorvolle oder volkstümliche Kontexte. In modernen Medien wie Comedy-Shows oder Social Media taucht die Wendung gelegentlich als sarkastischer Kommentar auf.
Positiv: Humor und Ironie
Trotz der offensichtlichen Negativität der Aussage kann „dumm wie Bohnenstroh“ auch eine humorvolle und versöhnliche Seite haben. In einem vertrauten Umfeld zwischen Freunden oder Familie wird die Wendung oft augenzwinkernd eingesetzt, um eine Situation aufzulockern. Wenn sie spielerisch und ohne böse Absicht verwendet wird, kann sie sogar dazu beitragen, über eigene Missgeschicke zu lachen.
Beispiel:
- „Ich hab das Passwort fünfmal falsch eingegeben. Dumm wie Bohnenstroh heute!“
Hier liegt der Fokus auf Selbstironie und nicht auf der tatsächlichen Bewertung der eigenen Intelligenz.
Negativ: Beleidigung und Abwertung
Der Ausdruck kann jedoch auch verletzend wirken, besonders wenn er in einem abwertenden Ton ausgesprochen wird. Er zieht eine direkte Verbindung zwischen einer vermeintlich „dummen“ Handlung und der grundlegenden Intelligenz der Person, was diese herabsetzen kann. Gerade in Konfliktsituationen oder bei sensiblen Themen ist Vorsicht geboten, da die Wendung leicht als Beleidigung interpretiert wird.
Beispiel:
- „Du verstehst echt gar nichts, dumm wie Bohnenstroh!“
In diesem Fall fehlt der humorvolle Unterton, und die Aussage wird schnell als respektlos empfunden.
Die Redewendung „dumm wie Bohnenstroh“ ist tief in der bäuerlichen Kultur des Mittelalters verwurzelt. Sie spiegelt nicht nur die damalige Sicht auf landwirtschaftliche Erzeugnisse wider, sondern auch den Humor und die Direktheit, mit der Menschen in jener Zeit miteinander umgingen. Die Verbindung von Nutzlosigkeit (Bohnenstroh) und mangelnder Intelligenz ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich Sprache aus konkreten Alltagserfahrungen entwickelt. Bis heute ist die Redewendung ein Teil der deutschen Sprache geblieben – ein Zeugnis für die Kraft bildhafter Vergleiche und derben Humors, die ihren Ursprung in einer längst vergangenen Zeit haben.
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