„Gib uns Frieden!“

Klare Kante schließt Empathie nicht aus. Ein offenes, ehrliches Wort dient vielmehr der Verständigung. Unter Menschen wie Nationen. Weihnachten steht vor der Tür. Edna Ferber, die großartige jüdische US-Schriftstellerin und Pulitzer-Preisträgerin ungarischer Herkunft, erinnert sich bei Weihnachten an ihre Kindheit, nennt dieses Datum „keine Jahreszeit, sondern ein Gefühl“.

Unser Mitgefühl gilt den von Gewalt bedrohten und verfolgten Menschen in der Welt. Angesichts der täglichen grausamen Bilder im Fernsehen von den Schlachtfeldern in der Ukraine, den Massakern der Hamas und der Selbstverteidigung der Israelis droht uns die Gewöhnung an Krieg und Gewalt. Immer verbunden mit der Gefahr der Abstumpfung und der Flucht in das eigene familiäre Idyll, das in diesen Tagen zu Recht von Lichterglanz, Weihnachtsliedern und frohen Augen beschenkter Kinder bestimmt ist.

Der Krieg mit den Russen hat für viele Ukrainer sogar für einen neuen Weihnachtskalender gesorgt. Eigentlich feiern orthodoxe Christen am 7. Januar das Fest. Doch im Jahr der zweiten Kriegsweihnacht erscheint vielen nach Europa und dem Frieden strebenden Ukrainer das Friedenslicht von Bethlehem schon am 25. Dezember. Sie lassen sich das Fest der Familie nicht von Putins zügelloser Kriegstreiberei nehmen. Voriges Jahr wurden die Nußknacker-Suite oder „Schwanensee“ in einer U-Bahn in Kiew intoniert.

Seit der Moskauer Patriarch Kiryll, ein enger Anhänger Putins, Waffen segnet und den Angriffskrieg gegen die Ukrainer gesundbetet, haben viele Ukrainer den Glauben an ihre frühere Kirche verloren. Selbst ein Denkmal für Stalin, der Religion als Opium für das Volk bezeichnet hat, wurde von Kirill eingeweiht.

In der Ukraine geht es auch um unsere Freiheit, um die Abwehr eines Generalangriffs des russischen Diktators auf die europäische Friedensordnung. Putins Abrechnung mit dem Westen gilt uns. Den lächerlichen Streit, ob wir kriegs- oder friedenstüchtig sein müssen, können wir uns sparen. Wir müssen abwehrbereit und wach sein und der Ukraine weiter bei ihrem Kampf um die Freiheit helfen.

Nicht nur Kinder träumen in der Nacht vor dem Heiligen Abend, auch Erwachsene dürfen das und die Zukunft mit Hoffnungen verbinden. „Donna nobis pacem – gib uns Frieden“ lautet daher mein Weihnachtswunsch. Wie zum Schlusschor von Johann Sebastian Bachs berühmter Messe in h-moll.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

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