Victor Lodato – Honey
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Der Autor entwirft eine Frau, die 82jährige Honey, die das schwarze Schaf einer amerikanischen Familie italienischer Abstammung ist. Ihr Vater war Kopf einer Mafia ähnlichen Sippe, der seine Kinder auch zur Beseitigung von Ermordeten einspannte. Nachdem sie von ihrem Jugendfreund vergewaltigt wurde, legte ihr Vater ihn um. Mit 17 verließ sie das Elternhaus und wurde Kunstexpertin in einem Auktionshaus in LA, im Alter kehrt sie in ihre Heimatstadt zurück. Auf Mode legt sie übertriebenen Wert, trägt aber die sündhaft teuren Kreationen ihrer verstorbenen Freundin auf. Ihre charmante Oberflächlichkeit ist gepaart mit Lebensweisheit und Unabhängigkeit.
Noch bevor sie den Heiratsantrag eines Freundes beantworten kann, stirbt dieser im Restaurant. Von einer jugendlichen Nachbarin wird sie erst belagert und vereinnahmt, bis sie sich herablässt, ihr Verhaltensregeln in Beziehungen zu geben und mütterliche Gefühle entwickelt. Langsam beginnt ihr Verfall, Absencen nehmen zu, Verwirrtheit und Medikamentenmissbrauch. Die Familienangehörigen, zu deren Feiern sie eingeladen wird, wühlen schlechte Erinnerungen auf. Ihr Verhältnis zu ihnen ist ambivalent, denn sie weiß mehr als die Jüngeren über die Abgründe der Familie. Vergeblich sucht sie einen Neffen, der sich als divers herausstellt und von seinen Eltern verstoßen wurde, findet aber eine neue Freundin. Schließlich lernt sie einen Künstler kennen, der sie verehrt und ins Bett bekommt, obwohl er vierzig Jahre jünger ist.
Einfühlsam und vielschichtig beschreibt der Autor ihre Umgebung, Sichtweise und Verhalten In einem durchgehend schnodderigen Stil, wobei die Handlung spannungslos dahinplätschert. Der Leser erlebt ihr fortschreitendes Altern mit, wie sie gnadenlos die Reaktionen ihrer Umwelt bis zum letzten Moment analysiert. Ein selten gelungenes Ergebnis über eine Frau der Highsociety im fortgeschrittenen Alter, das von tiefen Einblicken ins italienstämmige Milieu zeugt.
Victor Lodato, in Hoboken, New Jersey geboren, studierte an der Rutgers University und ist Mitglied der Dramatist Guild of America. Für seine erfolgreichen Theaterstücke hat er u. a. Fellowships der Guggenheim Foundation und des National Endowment of Arts erhalten sowie zahlreiche Preise, u. a. vom Kennedy Center Fund for New American Plays.
Verlag C.H. Beck
978-3-406-82242-1
Erschienen am 19. September 2024
3. Auflage, 2024
464 S.
Hardcover
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