Mein kleines Kochabenteuer

AvB
Alexander von Brauchitsch

Heute Vormittag – nach einem Smoothie und zwei Knäckebrotscheiben mit einem weichen Ei – fühle ich mich fit für den Gang über den Wochenmarkt im bayrischen Städtchen. Beim Schlendern durch die Budengassen gehen auch die Gedanken spazieren.
Eier gibt es und Käse, natürlich auch Leberkäs-Semmel, Pasta, Oliven, Kohlrabi und als saisonale Angebote natürlich Salat und Spargel.

Ich esse für mein Leben gern Spargel. Nur- wer bereitet ihn mir zu? Dieses „königliche Gemüse“ habe ich selbst noch nie gekocht. Und im Restaurant schmeckt er immer so – na ja.

Ich weiß eigentlich gar nicht mehr, wie es geschah. Aber tatsächlich lagen in meiner Einkaufstasche 10 Stangen Aspargus. Es war mir einfach so raus gerutscht: „Zehn Stangerl von dem da, bitte“. Der Appetit im Unterbewusstsein hatte vermutlich den Sieg über den Bammel vor der Zubereitung davon getragen.

Auf dem Heimweg, später bei der Zeitungslektüre, anschließend bei meiner Tageswanderung – die ganze Zeit lässt mich die Frage nicht los, wie aus diesen weißen Stanken wohl ein delikates Abendessen zu zaubern wäre. Nach Internetstudium, einem Gespräch mit Schwiegertochter Inez, dazu weiteren eigenen Denkanstrengungen sowie der Zuhilfenahme eines Kaltgetränkes steht endlich der Plan: Heute Abend gibt es Spargel, neue Kartoffel mit zerlassener Butter und Weißwein.
So weit, so gut!

Doch ein kurzer Blick ins Weinregal sagt – es ist gar kein „Weißer“ mehr vorhanden. Na gut denn, in solchen Dingen flexibel, tausche ich halt Wein gegen Prosecco. Ist kochen wirklich so leicht?

Nein!

Jetzt geht es erst richtig los!

Zehn etwas stärkere Spargelstangen kommen mir plötzlich ziemlich viel vor. Also nicht bloß vier kleine Kartoffel, sondern besser sechs. Erdäpfel. Nicht kleckern, sondern klotzen, sagte einst schon der General Guderian vor Jahren. Allerdings hatte der nicht von Erdäpfeln, sondern von Panzern gesprochen.

Meine etwas andere Interpretierung des Rezeptanfanges „man nehme…“ lautet: „Man nehme ein Glas Prosecco und schütte es in den Koch“. Das ist Schritt 1.

Im zweiten Schritt werden die Knollen geschrubbt, in dem etwas kleineren Topf mit Wasser bedeckt und auf den Herd gestellt. In gut zwanzig Minuten sind sie fertig, sagt die Lebenserfahrung.

Nun muss mein größter Kochtopf in Stellung gebracht werden. Wasser hinein und auf die große Platte. Wie? Die Kartoffelkochtopfplatte ist noch gar nicht eingeschaltet? Aber dann volle Kraft voraus! Während nun das Wasser heiß wird, kann ich in Ruhe den Spargel schälen. Aber das geht nur schlecht von der Hand. Erst als ich das Spargelschälmesser umdrehe, funktioniert es deutlich besser. Vermutlich ein Messer für Linkshänder.

Jetzt schnell noch zwei TL (Teelöffel) Salz und einen TL Zucker in das Spargelwasser. Mittlerweile kochen die Kartoffeln das Proseccoglas ist (aus unerklärlichen Gründen) schon wieder leer, und das Spargelwasser sprudelt auch schon. Da muss noch etwas Butter rein, sagt mir meine Telefonexpertin Inez, sonst schmeckt das Gemüse nach nichts.

Also, erst das Glas füllen, das Kartoffelwasser kleiner drehen und dann die Butter ins Wasser. Na bitte – geht doch! Jetzt den geschälten Asparagus ins kochende Wasser. Aber der passt nicht! Entweder ist der Topf zu klein oder der Spargel zu lang. Also wieder raus mit den Stangerln (gar nicht so einfach, sie rutschen immer von der Gabel) und kürzer schneiden. Aber hinten! Andersrum wäre blöd. Die Spargelenden kommen natürlich auch ins Wasser. Es wird viel zu viel weggeworfen, stand neulich in der Zeitung.

Wenn den Bayern, plötzlich etwas Negatives einfällt, sagen sie: „Jesus“!

Also: „Jesus, ich habe gar kein Töpfchen um die Butter zu schmelzen“!

Aber Inez weiß auch hier eine Lösung: „Nimm eine Tasse, Butter hinein und in den Backofen bei 75 Grad Celsius“. Gesagt – getan. Da hätte ich eigentlich auch selber drauf kommen können. Aber bei all dieser Aufregung jetzt auch noch denken?! Dabei gibt es für jede Lösung ein Problem, sagt die Lebenserfahrung. Inzwischen kocht das Kartoffelwasser über. Noch kleiner drehen und aufwischen! Das Glas ist schon wieder leer. Auffüllen! Besteck fehlt noch und Pfeffer. Auf den Tisch damit.

Mittlerweile sind die Kartoffel gar. Ich fische ein Stückchen Spargel aus dem Wasser, um zu probieren. Ergebnis: Den Mund verbrannt. Der Brocken ist noch viel zu heiß und holzig dazu.

Das Glas ist erneut leer. Auffüllen! Die Kartoffel sollen im Topf bleiben, aber ohne Wasser. Verdammt, beim Abgießen lässt einem der Wasserdampf spüren, wie heiß er ist. Nun noch ein Probestück Spargel. Super! Teller in die Hand, Spargel drauf und Kartoffel, ab an den Tisch und hinsetzen. Nein – der Prosecco fehlt noch. So, jetzt noch etwas Pfeffer und das Schlemmen kann losgehen.

„Jesus – die zerlassene Butter ist noch in der Röhre!“ Aber jetzt – endlich! Leider sind die Spargel und auch die Kartoffel noch zu heiß, und der Naturkoks (neudeutsch für Adrenalin) im Blut wirkt sich auch nicht so richtig auf die Geschmacksnerven aus. Mit anderen Worten, ich bin viel zu gierig.

Der zweite Teller, Spargel und Kartoffel sind besser temperiert, und das Adrenalin ist weitgehend abgebaut. Das schmeckt richtig gut, viel besser als im Restaurant. Mein bayerischer Radiosender schaltet um auf Blasmusik. Ich bleibe trotzdem gelassen sitzen und genieße mein kulinarisches Meisterwerk weiter.

Ich weiß ja jetzt, wie es funktioniert. Beim nächsten Mal l werde ich die Latte höher legen, noch eine weitere Pfanne nehmen und ein Steak darin bruzzeln! Drei Töpfe gleichzeitig auf dem Herd – das ist, glaube ich, schon Kunst.

Verehrte Leserin, ich weiß, ich weiß – hier und jetzt fliegt unweigerlich der Ausspruch „Männer und Multitasking“ mit einem leicht süffisanten Lächeln in den Ring.

Aber der aufmerksame Zeitungsleser hat ja vermutlich zur Kenntnis genommen, dass eine gemischte! (Weiblein/Männlein) Gruppe Wissenschaftler vor kurzem herausgefunden hat: Multitasking gibt es überhaupt nicht. Na denn.

Was habe ich entscheidend noch daraus gelernt? Ich muss dringend Weißwein erwerben! Vielleicht einen Grauburgunder.

Alexander von Brauchitsch

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