„Sechs Koffer“
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
Maxim Biller: Sechs Koffer
Das Buch von Biller gibt eine Menge Rätsel auf. Das schmale Bändchen hat den Anspruch ein Generationenroman im jüdischen Milieu zu sein. Es geht grob gesagt um Geheimdienste, Vertreibungen quer durch Europa bis Brasilien. Der Großvater wurde 1960 wegen Schwarzmarktgeschäften und Devisenvergehen in der Sowjetunion hingerichtet. Nur jemand aus der Familie kann ihn verpfiffen haben.
Der Ich-Erzähler des autobiografischen Romans ist zwar abschnittweise der Enkel , der seine Onkel und Tanten beobachtet, um herauszufinden, wer der Verräter war. Die Erzählperspektiven wechseln aber unvermittelt zu anderen Familienmitgliedern. Jeder verdächtigt jeden. Der Leser kann sich weder mit einer der Personen identifizieren noch mitleiden, nicht nur weil das ständige Springen von Rückblenden des einen Protagonisten zu Rückblenden der anderen einem Verwirrspiel gleicht. Die Episoden haben wenig Zusammenhang. Die Schauplätze wechseln von Moskau nach Prag, Zürich und Hamburg. Die historischen Hintergründe bleiben völlig vage, Psychologisches wird bestenfalls angerissen. Die Figuren untereinander zeigen und wecken keinerlei Empathie.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum es der Kurzroman auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat.
Maxim Biller, geboren 1960 in Prag, lebt seit 1970 in Deutschland. Von ihm sind bisher u.a. erschienen: der Roman »Die Tochter«, die Erzählbände »Wenn ich einmal reich und tot bin«, »Land der Väter und Verräter« und »Bernsteintage«. Sein Roman »Esra«, den die FAS als »kompromisslos modernes, in der Zeitgenossenschaft seiner Sprache radikales Buch« lobte, wurde gerichtlich verboten und ist deshalb zurzeit nicht lieferbar. Sein Short-Story-Band »Liebe heute« wurde unter dem Titel »Love Today« in den USA veröffentlicht, seine Bücher wurden insgesamt in sechzehn Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen sein Memoir »Der gebrauchte Jude« (2009), die Novelle »Im Kopf von Bruno Schulz« (2013) sowie der Roman »Biografie« (2016), den die SZ sein »Opus Magnum« nannte, und über den es im Deutschlandfunk hieß: »Unglaublich glänzend erzählt, mit knallharten Dialogen und aberwitzigen Pointen … Eine neobarocke Wunderkammer.«