Politik: Trumps NATO-Versprechen

Der Ex-Präsident kritisiert das Atlantikbündnis und preist Putin. Seine Verehrung für ausländische Tyrannen folgt einem langen Trend der US-Rechten.

Donald Trumps Äußerung, er werde Russland ermutigen, mit der NATO zu machen, „was auch immer es wolle“, ist keine Drohung. Es ist ein Versprechen. In seiner Rede vom Mittwoch auf einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina rückte er nicht von seinen vorherigen Äußerungen ab, sondern wiederholte sie und verschärfte den Ton: Er werde die NATO-Länder nicht „beschützen“, wenn sie „die Rechnungen nicht bezahlen“.

Angesichts der Tatsache, dass Trump selbst nicht unbedingt dafür bekannt ist, seine eigenen Rechnungen zu bezahlen, darf man sich wohl zu Recht fragen, wie groß seine Entrüstung wirklich ist, dass einige NATO-Mitglieder nicht mehr Geld für ihre militärische Verteidigung ausgeben. In Wahrheit dient Trump die Frage der Militärausgaben wohl eher als ein willkommener Vorwand, den Boden für eine Aushöhlung der amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa zu bereiten. Im Dezember 2023 verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das den US-Präsidenten daran hindert, ohne die Zustimmung des Kongresses aus der NATO auszutreten. Allerdings unterminiert Trump die NATO jetzt schon. Als Präsident müsste er einen offiziellen Austritt gar nicht verkünden. Es reichte schon, wenn er erklären würde, dass Artikel 5 für ihn null und nichtig sei. Er beabsichtigt nicht, die Beziehungen zu Europa zu stärken und Putins Bestrebungen abzuwehren, sondern Europa „Auf Wiedersehen“ zu sagen – oder ist es „Do Svidanija“?

Dabei stünde er jedoch vor einigen Hürden. Der Putin zugeneigte Flügel der Republikaner hat noch nicht die Oberhand. Während sich Trump und sein Kumpel Tucker Carlson (der gerade erst von seiner Mission aus Moskau zurück ist) bei Putin einschmeicheln, bemühen sich kämpferische Republikaner, den America First-Flügel der Partei von hinten aufzurollen. Die Erklärung des Kongressabgeordneten Michael R. Turner, der Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus ist, dass Russland Weltraumwaffentechnologie entwickle, die „eine ernsthafte Bedrohung für die nationale Sicherheit“ darstelle, hat Washington in Aufruhr versetzt.

Es ist zweifelhaft, ob die jüngsten Entwicklungen ausreichen, um die MAGA-Fraktion der Republikaner umzustimmen.

Derweil hat der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, der sich verzweifelt darum bemüht, eine Abstimmung über die Ukraine-Hilfe zu vermeiden, dem Repräsentantenhaus eine Pause bis zum 28. Februar verordnet. Seine Hoffnung ist, dass die Besorgnis über das russische Vorhaben, Atomwaffen im Weltraum zu stationieren, um amerikanische Satelliten-Systeme zu zerstören, bis dahin abgeklungen ist – und damit auch jeglicher Reiz, die Ukraine in ihrem Kampf gegen Putins mörderische Invasion zu unterstützen. Dazu schreibt David Ignatius in der Washington Post: „Ironischerweise ist gerade der Ukraine-Konflikt – und die Rolle, die Weltraumsysteme dabei spielten, dass Kiew 2022 den ersten russischen Angriff überlebte – Auslöser dafür, die Entwicklung der neuen russischen Weltraumstrategien voranzutreiben.“

Es ist zweifelhaft, ob die jüngsten Entwicklungen ausreichen, um die Make America Great Again-Fraktion der Republikaner umzustimmen. Senator Lindsey Graham, ein ehemaliger Hardliner, weigert sich gerade, an der Münchner Sicherheitskonferenz teilzunehmen. Andere Senatoren wie beispielsweise J. D. Vance, der bei einem Sieg Trumps bei den Präsidentschaftswahlen von 2024 möglicherweise Vizepräsident werden könnte, haben nichts als Hohn und Spott für die Ukraine übrig. Als eine Minderheit der republikanischen Senatoren für die Ukraine-Hilfe stimmen wollte, warnte Vance in der Zeitschrift The  American Conservative vor „dem republikanischen Komplott gegen Donald Trump“ – als käme die bloße Zustimmung zur Ukraine-Hilfe einer Verschwörung gleich.

Donald Trump © Gage Skidmore/Wikipedia

Die wahren Verschwörer sind natürlich Trump und seine Günstlinge. Es ist Trump, der den Republikanern im Repräsentantenhaus droht, sollten sie für die Ukraine-Hilfe stimmen. Und es ist Trump, der sich nicht nur aus der NATO, sondern auch aus den Bündnissen mit asiatischen Staaten zurückziehen will. Er will Russland und China die Kontrolle über ihre eigenen Interessenssphären überlassen, solange er sich auf Mittel- und Südamerika konzentrieren kann, um die Einwanderung von dort in die USA zu stoppen. Eine Festung Amerika. In Trumps Vorstellung sind es autoritäre Machthaber, die die Ordnung aufrechterhalten – einer davon ist er selbst.

Die wahren Verschwörer sind natürlich Trump und seine Günstlinge.

Auch wenn Trump mit seinen Äußerungen sowohl im Ausland als auch im eigenen Land für Angst und Schrecken sorgt, ist nichts davon wirklich neu. Sein Credo ist ein altes: Nach dem Ersten Weltkrieg setzte in den USA eine Welle des Revisionismus ein, in der Politiker, Intellektuelle und Journalisten aus dem politisch rechten Spektrum Kriege für die Demokratie verunglimpften und eine Rückkehr zum großartigen Isolationismus forderten. In den 1930er Jahren machte sich unter den Republikanern eine Sympathie für Hitler breit, weil er ein Feind des Kommunismus war, der in Mittel- und Osteuropa für Ordnung sorgen könnte. Zu diesen Sympathisanten gehörte auch der ehemalige Präsident Herbert Hoover, der sich 1938 am Vorabend des Anschlusses Österreichs mit Hitler traf und danach Präsident Franklin D. Roosevelt warnte, das Dritte Reich nicht länger zu verteufeln. Auf der Republican National Convention, dem Parteitag der Republikaner anlässlich der Nominierung ihres Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen von 1940, erklärte Hoover: „die provokativen Reden unserer politisch Verantwortlichen müssen aufhören“.

Andere, wie der Flugpionier und führende Politiker der America First-Bewegung, Charles Lindbergh, kritisierten die militärische Hilfe für Großbritannien, weil dessen Lage aussichtslos sei – genau wie heute Tucker Carlson und andere behaupten, dass die Ukraine gegen Russland verlieren werde. Die America First-Fraktion von damals wollte gemeinsame Sache mit NS-Deutschland machen, das für sie ein Bollwerk gegen den Sowjetkommunismus darstellte. Die heutige Anhängerschaft des „America First-Gedankens“ verehren nicht nur Putin, sondern auch Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán als Beschützer traditioneller Familienwerte und Gegner der Einwanderung aus dem Nahen Osten und Afrika.

Diese Anhängerschaft ist zu politischen Pilgern geworden, die in ausländischen Gesellschaften Vorbilder für die eigene sehen. Kurz gesagt, sind sie die neuen Mitläufer der Autokratie. Es gibt wohl niemanden, der über Jahrzehnte hinweg so konsequent Demokratien beschimpft und Autokratien angepriesen hat, wie Trump. In einem Interview von 1990 für den Playboy umriss er beispielsweise seine Weltanschauung so: „Wir Amerikaner machen uns zum Gespött der ganzen Welt, weil wir Jahr für Jahr 150 Milliarden Dollar aus dem Fenster schmeißen, um reiche Länder zu beschützen – Länder, die ohne unseren Schutz innerhalb von 15 Minuten ausgelöscht wären. Unsere „Verbündeten“ machen Milliarden damit, uns zu linken.“ Damit meinte er, damals wie heute, vor allem Deutschland und Japan – in seinen Augen räuberische Handelsnationen, die ein wehr- und argloses Amerika ausbeuteten. Trump wusste es besser. Es war an der Zeit zurückzuschlagen.

Jahrzehnte später ist es ihm nun triumphierend gelungen, die Republikaner wieder zu ihren alten Traditionen des Nativismus und Isolationismus zurückzubringen. Niemand hat die von Trump ausgehende Bedrohung besser verstanden als Präsident Biden, der Trumps jüngste Äußerungen über die Nato zu Recht als „beschämend“ und „gefährlich“ bezeichnete. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Trump steht für eine seit langem bestehende Sehnsucht nach Autoritarismus in den USA, die nur unterdrückt wurde, aber nicht verschwand. Sein greifbarer Drang, ein Autokrat zu werden, und seine Verehrung für ausländische Tyrannen stellen die amerikanischen Ideale, die amerikanische Unabhängigkeit und die Menschen in den USA an die letzte und nicht an die erste Stelle.

Aus dem Amerikanischen von Ina Goertz.

Jacob Heilbrunn ist Senior Editor des amerikanischen Magazins The National Interest. Er kommentiert regelmäßig u.a. für die New York Times, The Wall Street Journal und The Atlantic Monthly.

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