von Dieter Weirich

Wer Klartext redet, riskiert, verstanden zu werden“. Dieses mit einer Portion Zynismus ausgestattete Zitat von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück charakterisiert treffend den Wahlkampf für die am 23.Februar stattfindenden Bundestagswahlen. Statt des von manchen Auguren angekündigten härtesten Wahlkampf aller Zeiten erleben wir einen – so Ifo-Chef Prof. Clemens Fuest – „Wohlfühl-Wahlkampf“, bei dem sich die Parteien mit Geschenken an die unterschiedlichen Gruppen überbieten. Vor unbequemen Wahrheiten schreckt man zurück.

Dass Deutschland knöcheltief in einer Strukturkrise steckt, bestreitet gleichzeitig niemand. Für das neue Jahr ist allenfalls wirtschaftliche Stagnation angesagt, die Exporte lahmen, die Zahl der Insolvenzen erreicht ein Rekordniveau, unsere internationalen Marktanteile im Automobil-und Maschinenbau gehen angesichts schwindender Wettbewerbsfähigkeit zurück. Zu hohe Steuern und Energiekosten sowie eine überbordende Bürokratie schwächen den Standort.

In dieser Lage unterscheiden sich die für eine kommende Bundesregierung in Frage kommenden Parteien in ihren Versprechen kaum. Die CDU verspricht eine große Steuerentlastung, die SPD einen „Made in Germany“-Bonus für investitionsbereite Unternehmen, die Grünen plädieren für billigeren Strom, die FDP für eine tiefgreifende Entlastung bei der Wirtschaftswende. Bei Finanzierungskonzepten bleibt man vage.

Dabei wäre es an der Zeit, sich ehrlich zu machen. Es herrscht – so Steinbrück – eine Beschreibungsangst vor den notwendigen Zumutungen. So wagt beispielsweise die CDU nicht, Antworten auf die demografische Krise zu geben, kommen doch immer mehr Rentner auf immer weniger Erwerbspersonen. Trotzdem tabuisiert man die entscheidende Stellschraube der Erhöhung der Lebensarbeitszeit. Zu groß ist die wahlpolitische Macht in der „Rentner-Demokratie“.

Die SPD versucht den zum Scheitern verurteilten Spagat, Entlastungen zur Stabilisierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt zu versprechen, Sozialleistungen aber gleichzeitig nicht anzutasten..

Das Krisenbewusstsein der Bürger ist inzwischen größer als das der Politik. Deswegen dürfte Ehrlichkeit auch eher belohnt als bestraft werden.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

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