Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Werner Köhler: Die dritte Quelle

© Stefan Worring

Der Gründer des Kulturfestivals „lit.COLOGNE“ hat ein Aussteigerdrama vorgelegt, das auf einer wahren Geschichte fußt. Ein möglicher Nachfahre will die zwischen März und November 1934 hauptsächlich um zwei deutsche Aussteigerpaare auf der zum Galápagos-Archipel gehörenden Insel Floreana kreisende, sog. Galapagos-Affäre, aufrollen. Drei Personen starben damals unter ungeklärten Umständen und drei verschwanden spurlos. Ganz modern schlachteten die Medien die Geschichte aus.

Der fiktive Hamburger Bankangestellte, Harald Steen, schmeißt seinen Job kurz vor der Rente hin. Seine Pflegeeltern sind tot, ebenso seine Mutter Dore (verehl. Körwin). Sein Ziel ist, nachzuempfinden, wie sie sich als Aussteigerin fühlte, und was an den literarischen Bearbeitungen um die Vorgeschichte ihres Geliebten, des Berliner Arztes Friedrich Adolf Ritter (geboren 1886), wahr ist. Der Mediziner, der fortan Krankheiten mit der Kraft der Gedanken heilen will, zog mit seiner MS-Patientin, der Lehrerin Dore Körwin (geboren um 1901/1902) im September 1929 auf die unbewohnte Insel. Sie haben alles zurückgelassen: ihre Ehepartner miteinander verkuppelt, der Zivilisation, ihren Regeln und Auswüchsen sind sie müde. Sie wollen sich selbst versorgen, vegetarisch ernähren, haben spirituellen bzw. philosophischen Anspruch, wenn auch rassistische Vorbehalte gegenüber dem Rest der Welt, aber reformerische Ideen. So etwas liegt im Trend, die Würze sind die freien sexuellen Ansichten.

1932 verlockten die Zeitungsartikel die Familie des Sekretärs Konrad Adenauers, Heinz Wittmer, ebenfalls auf die Insel zu ziehen. Nachdem sich auch noch eine vermutliche Hochstaplerin mit Entourage dort ansiedelt, die ein Hotel baut, reiche Yachtbesitzer für die Insel interessiert und das Kommando in jeder Hinsicht übernehmen will, kulminieren die Konflikte unter anderem um die einzige Süßwasserquelle. Ob der Arzt gewalttätig war und möglicherweise von seiner Geliebten vergiftet wurde, bleibt vage.

Weit hergeholt entwickelt Köhler nun die Geschichte als zweite Robinsonade. Der brave, kontaktscheue Harald wird zum Naturburschen, ein Hund schließt sich dem Tierfreund an. Die im Wikipedia-Eintrag äußerst dramatische und rätselhafte Geschichte verkümmert bei Köhler zu einem Verwirrspiel, indem Steen sie seinem Hund erzählt und später der Sprechstundenhilfe, in die er sich verliebt. Die Psychologie der Handlungen ist unglaubwürdig. Der Berichtstil nimmt dem Fortgang weitgehend die Spannung, zusätzlich abgebremst durch Naturbeschreibungen. Den langatmigen Dialogen, die ohne die üblichen Kennzeichnungen ineinander als Fließtext verwoben sind, fehlt Biss und Originalität.

 

Werner Köhler, geboren 1956, ist Schriftsteller und Gründer des Literaturfestivals lit.COLOGNE. Er lebt in Köln.

 

 

  • Verlag: Kiepenheuer&Witsch
  • Erscheinungstermin: 10.02.2022
  • Lieferstatus: Verfügbar
  • 432 Seiten
  • ISBN: 978-3-462-00114-3
  • Autor: Werner Köhler
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