Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Bénédicte Savoy: Afrikas Kampf um seine Kunst

Bénédicte Savoy © David Ausserhofer

Man stelle sich das mal vor: Da werden Schätze geraubt, (von den Erben) einem Versteigerungshaus übergeben, verhökert und der neue Besitzer behauptet allen Ernstes und keineswegs aus Unkenntnis, alles sei legal erworben. Die Autorin, Bénédicte Savoy, ist spezialisiert auf Kunstraub und Beutekunst und hat Museen, ihre Archive, bei der UNESCO und Ministerien im In- und Ausland nach Dokumenten durchforstet, um mit ihren Fundstücken nachzuzeichnen, in welcher Art und Weise seit dem zweiten Weltkrieg mit dem Problem der Rückgabe von Beute umgegangen wurde.

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages beschloss davon ganz unabhängig 2019: Besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass Vermögen aus kriminellen Handlungen herrührt, kann es auch dann eingezogen werden, wenn die konkrete Straftat, aus der es stammt, nicht nachgewiesen werden kann, sondern ein Gericht nur von der rechtswidrigen Herkunft der Gegenstände überzeugt ist. Was aber, wenn die Tat zu ihrer Zeit als legitim galt? Wann verjährt der Raub solcher Art?

Die Autorin legt detailliert dar, wie positiv Rückgabeansinnen von einzelnen, besonders bedeutungsgeladenen Objekten auf diplomatischer Ebene nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten in den 1960er Jahren beurteilt wurden. (Nie wurde alles zurückgefordert). Von europäischen großen ethnologischen Museen, allen voran den deutschen, wurden Anfragen gezielt verschleppt, Zuständigkeit zwischen Institutionen hin und hergeschoben, verschleiert, Fake News gestreut, Panik geschürt. Es sträuben sich einem die Haare, wie sich die Generation Direktoren, deren Wertebegriffe aus dem Nationalsozialismus stammten, in internen Absprachen lustig machte über den aufkeimenden Nationalstolz der, ach so „primitiven“, Kunstproduzenten.

Sie diffamierten den emotionalen Gehalt der Objekte, warfen gönnerhaft und bevormundend museale Unterstützung in die Waagschale, stellten wissentlich Bedingungen, die ad hoc unerfüllbar waren. So knüpfte man das Aushändigen magazinierter, nie ausgestellter Schädel afrikanischer Kriegsopfer im Einzelfall an Verwandtschaftsnachweise, DNA-Analysen, Augenzeugenberichte etc. Dabei platzten die sanierungsbedürftigen Magazine aus allen Nähten. Es gebe keine Inventare, Sammlungen seien verschollen. Die Rückgabeverweigerer blieben unter sich, die Verhandlungen unter Verschluss, da man die gegenteilige Meinung der Öffentlichkeit kannte. Auch ich stieß Ende der 1970er Jahre auf Magazinhaufen, deren Vollständigkeit seit 1945 nie überprüft worden war. Aber das hatte offenbar System. Angestellten wurden Maulkörbe verpasst. Mit der Methode sollte kein Externer Überblick über den Bestand gewinnen.

Vermutlich ermöglichte ein Generationenwechsel den Zugang zu all diesen Unterlagen, deren O-Ton mitunter erschüttert. Die Professorin für Kunstgeschichte an der TU Berlin hat mit ihrem Sachbuch in ein (verlassenes?) Wespennest gestochen, über das sie glänzend Bescheid weiß. Endlich scheint die Zeit reif.

Verlag C.H.Beck oHG
978-3-406-76696-1
Erschienen am 18. März 2021
2. Auflage, 2021
256 S., mit 16 Abbildungen
Hardcover

http://www.beck.de

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