9. November – Was uns verpflichtet
Weirichs Klare Kante
Der Historiker Ulrich Herbert weiß, dass manche Daten in der deutschen Geschichte reiner Zufall sind. Deshalb hält er es für „kitschig und fehlleitend“, den 9. November mit dem Etikett des „deutschen Schicksalstages“ zu versehen. Er mag recht haben, doch tatsächlich verbinden sich mit keinem Tag so viele Hoffnungen und Träume, kein anderes Datum hat aber auch über unser Land so viel Grauen und Entsetzen verbreitet.
Angesichts des anwachsenden Antisemitismus in Deutschland und Europa hat die Erinnerung an den 9. November 1938, die mit dem eher verharmlosenden Begriff „Reichskristallnacht“ verbunden ist, besondere Bedeutung. Tausende Juden wurden damals verhaftet, misshandelt, getötet, Geschäfte, Gotteshäuser und jüdische Einrichtungen in Brand gesetzt. Antisemitismus und Rassismus wurden staatsoffiziell geduldet, der Marsch in den größten Völkermord in der Geschichte begann. Es ist ein Tag, der uns mit Scham erfüllen und zum entschiedenen Kampf gegen Antisemitismus verpflichten sollte.
Am 9. November begehen wir aber auch den 35. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer. Auch wenn viel über die Spaltung zwischen Ost und West geredet und geschrieben wird, so ist die durch eine friedliche Revolution erreichte deutsche Einheit in Wirklichkeit doch eine Erfolgsstory. Berlin, unsere Hauptstadt, erinnert mit dem Appell „Haltet die Freiheit hoch“ und einer spektakulären, kilometerlangen Plakate-Galerie an die Überwindung der Trennung.
Auch sonst ist der 9. November ein wichtiges historisches Datum, rief doch 1918 der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstages die Republik aus, womit nach der Niederlage des deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg die Hohenzollern-Herrschaft endete. Am 9. November 1929, schließlich, misslang ein Putsch von Adolf Hitler und seinen Vasallen mit einem Marsch auf die Münchner Feldherrnhalle. Der Versuch einer nationalen Revolution endete in einem Kugelhagel, wobei vier Polizisten und 16 Demonstranten tödlich verletzt wurden.
Hitler erhielt fünf Jahre Festungshaft, wurde aber schon Ende 1924 entlassen. In der Festung Landsberg entstand „Mein Kampf“. In einer Anordnung bestimmte er nach seiner Freilassung, den 9. November zum Tag von Gedenkfeiern zu machen, um an die beim Putsch Getöteten zu erinnern.
Der 9. November ist auf jeden Fall ein Tag, um wenigstens zwischendurch einmal innezuhalten und nachzudenken. Nicht zuletzt vielleicht darüber, welchen Schatz wir mit der Demokratie in der Hand halten. Und wie sehr diese es wert ist, entschlossen verteidigt zu werden.
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