Nachhaltiger Dreiklang

Autor Dieter Weirich

Nachhaltigkeit, die Wunschformel für ein verantwortliches Leben in der Zukunft, fußt auf einem Prinzip aus der Forstwirtschaft. Im Wald soll danach nur so viel Holz geschlagen werden, wie nachwachsen kann. Es geht also um eine ebenso sinnvolle wie vertretbare Ressourcennutzung, um die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit.

Wer Nachhaltigkeit alleine auf Klimaschutz und Umwelt reduziert, leistet der Gesellschaft allerdings einen Bärendienst. Es ist vielmehr ein Dreiklang aus Umwelt, aber auch Wirtschaft und Sozialem, das eine lebenswerte Zukunft in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand bei Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen garantiert. Denn was in eine gesunde Umwelt investiert werden soll, muss logischerweise vorher in einem rohstoffarmen Land, das von der technischen Intelligenz seiner Produkte lebt, erwirtschaftet werden. Eine robuste Wirtschaft wiederum ist Voraussetzung für soziale Harmonie

Insofern erstaunt das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das der Regierung Maßgaben für weitere Treibhausgasreduktionen ab 2031 aufgeben will. Schließlich habe, so der Richterspruch, der Staat doch die Verantwortung für kommende Generationen. Wer dieses komplexe Problem ohne Blick in die Welt auf Jahrzehnte voraus regeln will, setzt sich dem alten Vorwurf aus, am deutschen Wesen solle die Welt genesen.

Das Bundesverfassungsgericht definiert Nachhaltigkeit als „dauerhafte Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen“. Bei dieser richtigen Interpretation dürften die sich beispielsweise aus dem Sozialstaatsprinzip ergebenden Verpflichtungen nicht auf die Bedürfnisse der aktuellen Generationen beschränkt werden. An die jungen Menschen wird aber nicht gedacht. Angesichts der dramatischen Alterung der Gesellschaft und eines in seiner Höhe kaum noch zu steigernden Bundeszuschusses für die Altersvorsorge ist dies ein nicht zu übersehendes Fanal.

Ein Generationenvertrag funktioniert nur bei einem fairen Interessenausgleich, für den junge Menschen nicht auf die Straße gehen, weil sie ihr Leben im Alter verdrängen. Die Parteien wiederum zögern, sich ehrlich zu machen und dem Nachwuchs klar zu sagen, dass unter anderem nur eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ein ausreichendes Einkommen im Alter sichert.

Was die Bewusstseinsbildung für dieses Thema angeht, war der Deutsche Bundestag vor über einem Jahrzehnt schon mal weiter. Damals hatte eine interfraktionelle Initiative die Verankerung der Generationengerechtigkeit im Grundgesetz vorangetrieben und auf die identitätsstiftende Wirkung eines solchen Schritts verwiesen. Die Verfassungsänderung, indessen, wurde auf die lange Bank geschoben.

Der Vorteil solch nachhaltiger Politik wäre auch, dass sie im nationalen Rahmen bewältigt werden könnte. Beim Klima kommt es auf die ganze Welt an.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, veröffentlicht jeden Montag mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Frankfurter Neuen Presse”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst “als liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. 

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